Woyzeck
Punk-Rock-Musical
Musik von Manuel de Rien
Buch von Oliver Graf
Nach dem gleichnamigen Dramenfragment von Georg Büchner
Songtexte von Oliver Graf und Manuel de Rien unter Verwendung von Texten von Georg Büchner, Georg Heym und Georg Trakl
Inszenierung
Uraufführung: 2. September 2023
Theater für Niedersachsen, Hildesheim, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Andreas Unsicker
- Regie: Amit Epstein
- Bühne: Beata Kornatowska
- Kostüme: Alona Rudnev
- Choreografie: Tatsiana 'Kupra' Kupreichyk
Besetzung:
- Woyzeck: Samuel Jonathan Bertz
- Marie: Katharina Wollmann
- Hauptmann: Karsten Oliver Wöllm
- Doktor: Silke Dubilier
- Tambourmajor: Daniel Wernecke
- Andres: Louis Dietrich
- Käthe: Elisabeth Köstner
- Unteroffizier: Lucía Bernadas Cavallini
- Die Stimmen: Lucía Bernadas Cavallini, Louis Dietrich, Elisabeth Köstner, Jack Lukas, Daniel Wernecke, Karsten Oliver Wöllm
Katharina Wollmann (als Marie), Samuel Jonathan Bertz (als Woyzeck) © Theater für Niedersachsen / Foto: Tim Müller |
Premierenchronik
D | UA | 2. September 2023 | Theater für Niedersachsen, Hildesheim |
Inhaltsangabe
"Friedrich Johann Franz Woyzeck ist ein einfacher Soldat, der aufgrund von Geldnöten seinen Hauptmann rasiert und sich einem wissenschaftlichen Experiment unterzieht: Er darf nichts anderes als Erbsen essen und muss seinen gesamten Urin beim Doktor abgeben, damit dieser ihn untersuchen und erforschen kann. Dafür erhält Woyzeck ein paar Taler, um sich und seine kleine Familie zu versorgen. Als er erfährt, dass seine Freundin Marie ihn angeblich mit dem Tambourmajor betrügt, verfällt der mental bereits angeschlagene Woyzeck immer mehr dem Wahnsinn, bis er letzten Endes Marie ersticht. Ein interessanter Casus, dieser Woyzeck, findet der Doktor."
(aus: Programmheft der Uraufführung)
Samuel Jonathan Bertz (als Woyzeck), Ensemble © Theater für Niedersachsen / Foto: Tim Müller |
Kritiken
"Bis kurz vor der Uraufführung haben die Autoren Oliver Graf und der Komponist Manuel de Rien emsig gefeilt, verworfen, umgestellt. Ein komplexer Arbeitsprozess mit Regisseur Amit Epshtein als Dreh- und Angelpunkt. Am Ende ein zwiespältiges Resultat: Das herausragende Engagement unterstreicht den künstlerischen Impetus des Hauses, zeigt besonders im ersten Teil fesselnde Momente, das Publikum reagiert indes mit eher gemischten Gefühlen.
[...] Manuel de Rien schrieb eine Musik, die passgenau wirkt. Als Mitglied der Band Narcolaptic und des Duos Silvertongues kennt er sich mit dem gewünschten Punk-Rock-Sound bestens aus, gestaltet wirksame Songs, die zwar nicht die Handlung vorantreiben, aber die Seele aushorchen, wie Reflexionen oder Echolote der Gefühle daherkommen und auch nicht mit psychodelischen Einsprengseln sparen.
[...] Bühnenbildnerin Beata Kornatowska schuf den kreisförmigen Raum für die Tragödie: abstrakt, zugleich assoziieren die Elemente eine Arena oder einen Hörsaal. Rot dominiert, die Anordnung kann als symbolträchtiges Riesenmesser interpretiert werden. Hier gedeiht eine makabre grelle Revue im Zirkusformat, die mit vielen Effekten eine emotional aufgeheizte Atmosphäre schafft. Die Kostüme von Alona Rudnev greifen den Gedanken auf, betonen das Expressionistische."
Heinz-Jürgen Rickert: Woyzeck. Ambitioniert, aber letztlich nicht überzeugend. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 221, Oktober/November 2023, Seite 12-13.
"Das Theater für Niedersachsen ist in der glücklichen Lage, eine festangestellte Musical-Company zu haben. Auf dieser Grundlage kann Intendant Oliver Graf es wagen, im Rahmen seiner ´Woyzeck´-Trilogie neben Schauspiel und Ballett auch ein Musical zu produzieren. ´Wenn man sich mit diesem Stoff auseinandersetzt, schreit es nach Musical und Punk-Rock´, erklärt der Theatermann. Graf hat aus den von Georg Büchner hinterlassenen Fragmenten und Texten von Trakl, Heym und ihm selbst eine Art ´Woyzeck´-Collage gebaut. Für die Musik ist der Punk-Rock-Musiker Manuel de Rien im Boot, als Regisseur der äußerst kreative Amit Epshtein. So entsteht aus dem Zusammentreffen von kommunaler Theaterrealität, erfahrener Regie und extrem freier Musikszene ein aufregendes Bühnenwerk.
Manuel de Rien fokussiert sich mit seiner Musik auf die emotionale Lage der unterschiedlichen Charaktere. [...]
Der Sound der fünfköpfigen Band unter der Leitung von Andreas Unsicker tönt perfekt, aber schrecklich laut. Punk-Rock muss knallen, klar - aber so? Gut, dass die Garderobiere in der Pause eine Schachtel mit Ohrenstöpseln parat hält. Die Laustärke ist aber das einzige Manko eines ansonsten überwältigendenMusical-Abends."
Claus-Ulrich Heinke: Büchner goes Punk-Rock, Manuel de Riens neues "Woyzeck"-Musical legt seelische Extreme frei. In: Orpheus, Oper und mehr. Nr. 6, November/Dezember 2023, Seite 68.
"Freundlicher geht Regisseur Amit Epstein mit ihm [Woyzeck] um in der ebenfalls Hildesheimer Musicalproduktion, während angeraunt popmilde Rocksongs des Hamburger Komponisten Manuel de Rien aus dem Graben flüstern. Wo Woyzeck draufsteht ist auch Woyzeck drin, jedenfalls steht sein Name auf dem Körper von Samuel Jonathan Bertz.
Der gibt den geschlagenen Hund, kriecht im Kreis und malt mit Worten die hoffnunglos verdorrte Atmosphäre. Alle Personen sprechen vor allem Englisch. Nur Woyzeck zelebriert die kraftvolle Büchner-Poesie unerschrocken in Deutsch. Die dadurch installierte Sprachbarriere soll wohl die verständnislose Ferne zeigen zwischen Woyzeck und seiner sozialen Umwelt - und gleich noch die Klassenfrage stellen.
Marie (Katharina Wollmann) zeigt mit rotem Lackledermantel über rotem Trainingsanzug, dass hier die Triebe lodern. ´Ich will Spaß´, sagt sie, bezeichnet den Kraftkerl Tambourmajor als ´really hot guy´ und beginnt lustvoll zu tanzen. Klar, was kommt. Es dauert dann allerdings eine halbe Stunde, in der expressionistische Lyrik verrockt werden muss, bis Woyzeck Maries Lebensgeister auslöscht. Bertz wütet dabei nicht wie ein frauenhassender Killer, sondern ist ein in den Wahnsinn abdriftender Mensch von ganz unten, durchaus angefeuert von Mehrheitsbürgern, die als besoffene Partytiere grölen."
Jens Fischer: "Woyzeck"-Inszenierungen im Norden, Das Stück der Stunde. In: taz, 6. November 2023.
Samuel Jonathan Bertz (als Woyzeck), Silke Dubilier (als Doktor), Ensemble © Theater für Niedersachsen / Foto: Tim Müller |
Medien / Publikationen
Literatur
- Georg Büchner: Woyzeck. In: Ders.: Werke in einem Band. Berlin/Weimar: Aufbau 1977, Seite 131-158.
Kommentar
Die Produktion erfolgte in englischer und deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln.
Das Theater für Niedersachsen inszenierte "Woyzeck" im Laufe der Spielzeit drei Mal: als Schauspiel, Musical und Tanztheater.
Büchners Schauspiel war Pflichtlektüre im Fach Deutsch für den niedersächsischen Abiturjahrgang 2024.
Beata Kornatowska wurde von der Deutschen Musical Akademie für den DMA-Award 2024 in der Kategorie "Bestes Bühnenbild" nominiert und Dominik Schneemann in der Kategorie "Bestes Lichtdesign".
Empfohlene Zitierweise
"Woyzeck". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 18. Dezember 2024.