Oh! Oh! Amelio!
Operette
Musik von Konrad Koselleck und Thomas Pigor
Text von Thomas Pigor
Frei nach "Occupe - toi d'Amélie" von Georges Feydeau
Inszenierung
Uraufführung: 10. Juli 2024
Gärtnerplatztheater, München, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Andreas Partilla
- Regie: Gabi Rothmüller
- Choreografie: Alex Frei
- Bühne und Kostüme: Karl Fehringer, Judith Leikauf
- Licht: Peter Hörtner
Besetzung:
- Amelio von Tschüssikowski: Christian Schleinzer
- Étienne Milledieu: Armin Kahl
- Marika Waldhoff: Julia Sturzlbaum
- Die Putzebumskaja: Dagmar Hellberg
- Die Täschner: Thomas Pigor
- Herr Prinz: Alexander Franzen
- Frau Cologne: Frances Lucey
- Charlotte: Laura Schneiderhan / Ulrike Dostal
- Der Matriach: Peter Neustifter
V.l.n.r.: Dagmar Hellberg (als Die Putzebumskaja), Laura Schneiderhan (als Charlotte), Christian Schleinzer (als Amelio von Tschüssikowski), Julia Sturzlbaum (als Marika Waldhoff), Peter Neustifter (als Der Matriach) (c) Theater am Gärtnerplatz / Foto: Anna Schnauss |
Premierenchronik
D | UA | 10. Juli 2024 | Gärtnerplatztheater, München |
Inhaltsangabe
"Der Travestiekünstler Amelio lebt zusammen mit seinem Verlobten Étienne und seiner redseligen Mutter in einem Haushalt. Als der eifersüchtige Étienne eine Reise in die USA antreten muss, bittet er seine beste Freundin Marika, ein Auge auf Amelio zu haben. Marika steckt derzeit in finanziellen Nöten, erwartet aber ein größeres Erbe. Dessen Auszahlung ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass Marika heiratet. Deshalb hat sie der Verwalterin des Erbes, ihrer Tante in der Marzowina, geschrieben, dass die Heirat in Kürze stattfinde, und als Bräutigam 'Amelio von Tschüssikowski' angegeben. Marika hat jedoch nicht damit gerechnet, dass die Tante den Bräutigam persönlich kennenlernen möchte. Amelio willigt ein, die Komödie mitzuspielen. Die Täuschung gelingt, die Tante ist vom falschen Bräutigam hellauf begeistert und reist wieder ab.
Getreu ihrem Étienne gegebenen Versprechen weicht Marika nicht von Amelios Seite, und nach einer Zechtour erwachen beide am nächsten Morgen zusammen im Bett. Ob sie miteinander geschlafen haben, wissen sie selbst nicht, doch ihr Plan, das Ereignis geheim zu halten, misslingt: Die Tante ist für die Hochzeit erneut angereist und überrascht das Paar im Bett. Um eine Rolle in einem 'Tatort' zu bekommen, hat sich Amelio auf eine offensichtlich verfängliche Drehbuchbesprechung mit dem Filmproduzenten Prinz eingelassen. Dieser hat ihn unter dem Künstlernamen 'Amelia von Tschüssikowski' auf der Bühne gesehen und hält ihn für eine attraktive Frau. Étienne kommt überraschend früher zurück und bietet seine Hilfe bei der Inszenierung einer vorgetäuschten Hochzeit an. Während der Filmproduzent auf seine Drehbuchbesprechung mit 'Amelia' wartet, sich Amelios Mutter und Marikas Tante misstrauisch beäugen und marzowinische Cousinen mit den Säbeln rasseln, macht Étienne Marika ein schockierendes Geständnis. Nun erreichen die Feydeau’schen dramaturgischen Verwicklungen ihren Höhepunkt."
(aus: Programmheft zur Uraufführung)
V.l.n.r. Laura Schneiderhan (als Charlotte), Frances Lucey (als Frau Cologne), Armin Kahl (als Étienne Milledieu), Christian Schleinzer (als Amelio von Tschüssikowski), Alexander Franzen (als Herr Prinz), Peter Neustifter (als Der Matriach), Thomas Pigor (als Die Täschner) (c) Theater am Gärtnerplatz / Foto: Anna Schnauss |
Kritiken
"Nach den ersten fünf Minuten der Uraufführung gabs nichts mehr zu gähnen, wenige Minuten später setzte Lachen und theatralisches Staunen ein – und das durchgängige Amüsement mündete nach pausenlosen 100 Minuten in begeisterten Jubel, der die tief gelegene Studiobühne des bestens renovierten Hauses in den Theaterhimmel katapultierte.
Das geht ganz 'einfach': natürlich eine fabulös witzige Vorlage, die Thomas Pigor mit all seinem Theatervollblut bearbeitet hat – prompt stimmte das flüssig bis rasante Timing, gab es pointierten Dialog und amüsant-freche Song-Texte, auch mal als Duett bis hin zu Ensembles; dass das alles wie ein Uhrwerk schnurrte, war der pfiffigen Musikmischung von Pigor und Konrad Koselleck zu danken, die der prickelnden Mischung aus Kammerorchester und U-Band unter Andreas Partilla zu danken – von Polka über Tango zu ariosem Aufschwung mit lang gehaltenen Spitzentönen – und durchweg pulsierendem Schmiss [...] Auf der kleinen Bühne bildete ein albern-grelles 'A' mit Lämpchen-Geglitzer sowohl das schnuckelige Zuhause des Männerpaares wie den Hintergrund für Nachtclubausflüge oder den herrlich improvisierten Rahmen für eine groteske marzowinisch-orthodoxe Hochzeit – alles mit rasanten Kostümwechseln von Unterwäsche bis zu Priester-Ornat – lautes 'Tutti bravi!' an Ausstatter Karl Fehringer und Judith Leikauf mitsamt Choreograph Alex Frei, die den begrenzten Raum vergessen und turbulent bespielen-und-tanzen ließen."
Wolf-Dieter Peter: Witziger Wer-ist-was-Wirbel – Uraufführung von „Oh! Oh! Amelio!“ im Münchner Gärtnerplatztheater. In: Neue Musikzeitung, 11. Juli 2024.
"'Oh! Oh! Amelio!' – ein Titel wie ein Jubelschrei. Aus der rasanten Komödienhandlung des französischen Farcen-Meisters Georges Feydeau hat jetzt, 100 Jahre später, der Kabarettist Thomas Pigor eine Operette gemacht. Am Mittwoch feierte sie Uraufführung am Münchner Gärtnerplatztheater. Ein Abend voller Geschlechterklischees, garniert mit pointierter Musik. [...] Thomas Pigor und Konrad Kosselleck haben einen wilden Stilmix zwischen Kasatschok und Rap komponiert, dem das dazu aufgebotene Salonorchester unter Andreas Partilla einen nostalgischen 20er Jahre-Touch gibt. Am gelungensten sind die witzigen Chansons im Stil der Zeit – wie etwa Pigors bieder-bösem Schwulenmütter-Couplet. Da hat er seine Operette tatsächlich 'ins Hier und Jetzt' geholt, wie es so schön im Programmheft heißt.
Ansonsten kann auch Pigors Fassung trotz allen Geschlechterwechsels nicht verhehlen, dass die Vorlage schon über hundert Jahre auf dem Buckel hat und man sich manchmal vorkommt wie in der Komödie im Bayerischen Hof. Das wird verstärkt durch Gabi Rothmüllers Regie, die das Stück zwar als Kabarett-Revue gekonnt in Szene setzt, es aber damit gründlich missversteht. Denn bei Feydeau muss man die Handlung, so sehr sie auch Klamotte sein mag, toternst nehmen, sonst funktionieren weder seine Situationskomik noch das Timing. Kabarett macht eben noch keine Operette – trotz Pigors unwiderstehlich fränkischem Mutterwitz. Das Publikum war auch so begeistert: jeder Gag ein Lacher! Und das ist schließlich die Hauptsache, geht es doch 'um Unterhaltung – und sonst nix!'."
Stefan Frey: Uraufführung von "Oh! Oh! Amelio!" Eine nagelneue Operette von Thomas Pigor. In: BR Klassik, 12. Juli 2024.
"Eine 'nagelneue Operette' wurde angekündigt – und stellt sich als neuester Schelmenstreich von Thomas Pigor heraus, der bereits so erfolgreich den Kästner-Roman 'Drei Männer im Schnee' als Auftragswerk für das Gärtnerplatztheater umgesetzt hatte. Nun widmete er sich einem Stoff des französischen Komödienspezialisten Georges Feydeau, 'Occupe-toi d’Amélie' der Jahrhundertwende, verlegte die Handlung in die Jetzt-Zeit und nahm diverse Änderungen an den beteiligten Charakteren vor.
Der Autor himself erscheint als fränggische Mudder Täschner' entsprechend geschneckelt-onduliert und Tupfenblusen-gewandet auf der Spielfläche der putzigen, in den Katakomben des Theaters liegenden ca. 200 Zuschauerplätze fassenden Studiobühne. Und spricht eine 'Drigger-Warnung' aus dergestalt, dass dezent darauf hingewiesen wird, wie gut Homosexuelle im Stück wegkommen würden, dass es blöde Witze geben, Klischees bedient und Leute durch den Kakao gezogen würden. Religion – aber keine bestimmte – und Osteuropäer kämen auch vor im Stück. Und dass diejenigen Schauspieler und -innen in den etwas blöderen Rollen im wahren Leben ja ganz feine Kerle und -innen seien. Gut, dass wir gesprochen haben …
Die schwarze Bühne ziert ein riesiges Lämpchen-bestücktes A, davor lediglich drei Podeste, die im Laufe der Handlung als Sitzflächen und Bett ihre Bestimmung finden. Links von der Bühne ist das Orchester platziert, welches vom Flügel aus von Andreas Partilla geleitet wird. [...] Dies alles schnurrt wie ein Uhrwerk in 100 überaus kurzweiligen Spielminuten als Einakter ohne Pause – man kommt aus dem Lachen kaum heraus. Dies ist ohne Frage ein weiterer Hit für das Gärtnerplatztheater. Die Cast ist schlicht zum Niederknien. Genüsslich ihre Rollen auskostend werfen sich die Vollprofis in irrwitzigem Tempo gegenseitig die Bälle zu. Sie kennen sich jahrelang und wissen daher ganz genau, wie ihr Spielpartner/partnerin reagiert. Da sitzt jeder Blick, jede Geste, mit hingebungsvoller Spiellaune zelebrieren diese Erzkomödianten dieses hochgradig absurde Stück."
Silvia E. Loske: "Oh! Oh! Amelio!". Uraufführung Staatstheater am Gärtnerplatz 10. Juli 2024. In: Musical Review, 16. Juli 2024 [https://www.musical-reviews.de/2024/07/16/oh-oh-amelio/], aufgerufen 24. Juli 2024.
Julia Sturzlbaum (als Marika Waldhoff), Armin Kahl (als Étienne Milledieu) (c) Theater am Gärtnerplatz / Foto: Anna Schnauss |
Kommentar
Die Produktion ist ein Auftragswerk des Gärtnerplatztheaters.
Schon 1957 gab es unter dem Titel "Gib acht auf Amelie" eine musikalische Komödie des Feydeau-Stoffes mit der Musik von Lotar Olias und den Texten Kurt Nachmanns.
Thomas Pigor wurde von der Deutschen Musical Akademie mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2024 in der Kategorie "Beste Liedtexte" ausgezeichnet.
Empfohlene Zitierweise
"Oh! Oh! Amelio!". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 22. Oktober 2024.