Der Soldat der Königin von Madagaskar (Zolnierz królowej Madagaskaru)
Vaudeville in einem Vorspiel und 4 Bildern
Musik von Gerd Natschinski
Buch von Stanislawa Dobrzanskiego
Textliche Neufassung von Julian Tuwim
Deutsche Übersetzung und Bearbeitung von Maurycy Janowski
Inszenierung
Deutschsprachige Erstaufführung: 1. Februar 1959
Gerhart-Hauptmann-Theater, Görlitz, DDR
- Musikalische Leitung: Franz Saase
- Regie: Herbert Bendey
- Bühnenbild: Rolf Klemm
- Kostüme: Helga Steinhoff
- Choreographie: Frank Männel, Brigitte Matthes
- Chöre: Wolfgang Bayer
Premierenchronik
PL | UA | 3. Dezember 1936 | ? , Warschau |
DDR | Dspr. EA | 1. Februar 1959 | Gerhart-Hauptmann-Theater,Görlitz |
Inhaltsangabe
Der Vorsitzende des Tugendvereins "Lilie von Radom", der ehrenwerte Rechtsanwalt und Moralapostel Saturnin Masurkiewicz, wird zwecks Errichtung eines Asyls für 'gefallene Mädchen' in die Hauptstadt Prag geschickt. Insgeheim hofft Masurkiewicz, in der Hauptstadt auch endlich die Hochzeit mit der geliebten Sabine vollziehen zu können, die im Hause der befreundeten Familie Mackis wohnt. Doch die haben eigene Probleme, denn der Sohn des Hauses hat ein Auge auf Kamilla geworfen, die allabendlich als anrüchige Soubrette im Arkadia-Theater auftritt. Der Rechtsanwalt soll als bekannter Tugendwächter dem einen Riegel vorschieben und muss sich, ob er will oder nicht, Richtung Theater aufmachen. Doch dort verfällt auch er, alle Moralvorstellungen über Bord werfend, der Sängerin. Die macht sich einen Spaß daraus, die Verlogenheit der bürgerlichen Moral am Beispiel Masurkiewicz ihrem Publikum aufzuzeigen. Wie so oft aber wird abschließend über alles der Mantel der Tugend und des Schweigens geworfen. Saturnin bekommt seine Sabine, die Mackis kommen auf den Pfad der Tugend zurück und selbst Kamilla wird ein Mitglied des Tugendvereins "Lilie von Radom".
(Klaus Baberg)
Kritiken
"Denn, um es vorwegzunehmen, mit der Inszenierung der vorliegenden deutschen Fassung erwiesen sie weder dem Übersetzer und Bearbeiter Maurycy Janowski, noch dem Komponisten der 18 Musiknummern, Gerd Natschinski, einen großen Dienst. Die Schwächen des Vaudevilles sind doch zu offensichtlich, und es ist unverständlich, wie die Görlitzer darüber hinwegsehen konnten. Hinzu kam, daß die Inszenierung gerade das betonte und unterstrich, was der Aussage des Stückes zuwiderlief.
[...] Die 18 Musiknummern Gerd Natschinskis könnten in die Neufassung unverändert übernommen werden. Ja, sie treffen von der Reminiszenz des Gregor abgesehen, schon jetzt weitgehend den richtigen ´Ton´, den das ganze Vaudeville aufweisen müßte. Sehr amüsant ist in ´Ich hab in Wien die Schrammeln so geliebt´, die musikalische Parodie auf den Wiener Geigenschmalz, indem der Komponist jedesmal Trompete und Posaune mit einem ´Quack-Quack´einfallen lässt. Insgesamt gesehen erweckten die gefälligen Musiken den Wunsch, einmal eine richtige Natschinski-Operette zu hören. Denn bereits die wenigen Musiknummern zu diesem Vaudeville offenbarten die Begabung des Komponisten szenische Vorgänge musikalisch zu gestalten.
[...] So wünschenswert es auch wäre, die Leistungen der einzelnen Darsteller zu würdigen, ist es doch besser davon abzusehen [...] Darum lassen wir es, über die Leistungen der einzelnen zu schreiben. Sie taten alle ihr möglichstes. Daß sie es nicht im Sinne des Stücks tun konnten, dafür ist der Kritiker nicht verantwortlich zu machen."
H. P. Hofmann: Attackierte Tugendritter, "Der Soldat der Königin von Madagaskar" von Julian Tuwim, Musik von Gerd Natschinski am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz. In: Theater der Zeit, Heft 3/1959, Seite 57-58.
"Selbst hinter dem scheinbar größten Unsinn steckt noch ein Sinn, geht es doch in dieser Satire mit Musik darum, die bürgerliche Scheinmoral, wie sie sich in den ´Tugendvereinen´ des vorigen Jahrhunderts äußerte, zu persiflieren. Wir dürfen das Stück getrost ein schwankhaftes Pendant zu Heinrich Manns tragischem ´Professor Unrat´ nennen.
In Polen gehört das Werk seit etwa einem Jahrhundert zum festen Bestand des Repertoires. Vor einigen Jahren gab ihm der namhafte Lyriker Julian Tuwim eine inzwischen auch in der CSR und Ungarn erfolgreiche Neufassungt, doch hat man die begeisterte Aufnahme des Vaudevilles in Görlitz vor allem der einer Neubearbeitung gleichkommenden Uebersetzung M. Janowskys zu danken. Bei Wahrung allen Spaßes vertiefte sie durch kluge Dialogbehandlung die gegen Heuchelei und Unmoral gerichtete Werkaussage. Der dritte Faktor des Erfolges ist die Musik Gerd Natschinskis. Der bekannte Schlagerkomponist, der sich übrigens künftig auf Kompositionen für die Bühne konzentrieren wird, hat eine die parodistische Linie des Stückes ausgezeichnet fortsetzende Musik geschrieben."
G.A.: Vaudeville aus Alt-Warschau, In Görlitz "Der Soldat der Königin von Madagaskar". In: Neue Zeit, Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, Nr. 66, 19. März 1959, Seite 4.
Medien / Publikationen
Literatur
- Michael Stolle: Der Komponist Gerd Natschinski: Musical, Filmmusik und Schlager in der DDR. Hamburg 2018.
Kommentar
Bislang liegt das Programmheft mit der Premierenbesetzung nicht vor. Die Angaben werden eingefügt, sobald die fehlenden Unterlagen vorliegen.
Aus den Presseberichten begibt sich bislang die Mitwirkung folgender Darsteller und Darstellerinnen: Alfred Hedwig, Gertie Eichler, Rosel Kutschera, Ursula Spieker, Carl Gert Zinser, Katharina Tuerschmann, Gert Heinsch, Ursula Schoene-Makus, Friedrich Wilhelm Siewert, Kurt Wissmann, Willy Bolze, Lothar Arnold, Siegfried Seibt, Christel Nitsche, Hansi Risto, Eberhard Strauss, Herbert Rapp, Klaus Mertens, Klaus Seifert, Artur Seifert.
Die Uraufführung der Komödie von Stanislawa Dobrzanskiego fand bereits 1879 statt. Die textliche Neufassung von Julian Tuwin erlebte mit der Musik von Tadeusz Sygietnynski 1936 ihre Uraufführung.
Empfohlene Zitierweise
"Der Soldat der Königin von Madagaskar" ("Zolnierz królowej Madagaskaru"). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 17. März 2022.