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Der Weiberheld

Musical in 4 Bildern


Musik, Buch und Gesangstexte von Erika Wilde 
Frei nach Plautus´ "Miles gloriosus" 

 


Inszenierung


Uraufführung: 15. September 1956
Städtische Bühnen Magdeburg, DDR
 

  • Regie: Klaus Glowalla
  • Musikalische Einstudierung: Erika Wilde
  • An zwei Flügeln: Erika Wilde und Kurt Damies
  • Bühnenbild: Lothar Keil


Besetzung:

  • Pyrgopolinikes, ein Söldnerhauptmann: Herbert Gothe 
  • Artotrogus, ein Parasit: Will Partisch
  • Periplekomenus, ein netter älterer Herr: Otto Kraatz / Karl Recke
  • Philokomasium, eine junge Dame aus Athen: Ilse Berger
  • Pleusikles, ihr Verlobter: Klaus Heim
  • Palästrio, dessen Sklave: Horst Böttge / Klaus Glowalla
  • Milphidippa, eine Sklavin: Isi Preil
  • Skeledrus, Sklave des Hauptmanns: Jochen Koeppel
  • Lurcio, Flötenspieler des Hauptmanns: Wolfgang Schieck
  • Cario, Koch bei Periplekomenus: Oswin W. Klinkmüller

 

 

Premierenchronik

DDR UA 15. September 1956 Städtische Bühnen Magdeburg



Inhaltsangabe


Die Geschichte spielt im antiken Griechenland, genauer gesagt: in Ephesus. Dort lebt Pyrgopolinikes, ein "aufschneiderischer Offizier". Er gibt sich als tapferer Kriegsheld, ist aber eigentlich ängstlich und feige. Er hält sich für eine Schönheit, ist aber eigentlich hässlich und glatzköpfig. Er geriert sich als unwiderstehlicher Frauenschwarm, ist aber tatsächlich eher abschreckend. Seine Eitelkeit lässt ihn für Schmeicheleien empfänglich sein; seine Dummheit verhindert die  Erkenntnis, dass die Parasiten an seiner Seite ihn nur ausnutzen. Selbstverliebt stöhnt er: "Es ist ein Fluch, so schön zu sein!" Er macht nicht viele Unterschiede zwischen Schwert und Phallus: beides sind für ihn vorwiegend Mittel der Eroberung. So brachte er vom letzten Feldzug gegen Athen nicht nur zusammengeraubte Reichtümer mit, sondern auch die junge Athenerin Philokomasium, die er zu seiner Mätresse zu machen gedenkt. Er hält sie in seinem Haus gefangen, erwartet aber, dass sie sich aus Liebe (oder Einsicht ins Unvermeidliche) ihm freiwillig hingibt.

Dort trifft die Entführte auf den Sklaven Palästrio, der bis vor kurzem im Besitz ihres geliebten Pleusikles gewesen war, der - so Palästrio - ihr hinterher eilte, um sie zu befreien. Der Sklave wurde jedoch gefangen genommen und von Pyrgopolinikes gekauft, ohne das dieser von den früheren Besitzverhältnissen etwas ahnt. Als der junge Pleusikles in Ephesus eintrifft, will er sofort in das Haus des Offiziers eindringen, um seine Geliebte zu befreien. Da Palästrio jedoch die kämpferischen Unzulänglichkeiten seines früheren Herren kennt, ersinnt er stattdessen eine Intrige, um die Liebenden zusammen zu führen, den eitlen Prahlhans bloß zu stellen (und als freier Mann die Szene zu verlassen). Geschickt nutzt er die Dummheit, Geldgier und Eitelkeit des Titelhelden, um diesen hinters Licht zu führen - und dem Verlachen preiszugeben.

(Wolfgang Jansen)

 

 

Kritiken


"Erika Wilde hat das ganze Geschehen mit guten Chansons versehen, zu denen sie selbst auch noch die Melodien schuf: völlig anachronistisch erklingen die Rhythmen eines Walzers, eines Foxtrott, eines Rumba, eines Paso doble und eines Blues. Gerade diese Anachronismen erhöhen den Spaß und den Witz dieses Spieles, in dem ein Dummkopf fürchterlich geprellt wird. 

Klaus Glowalla setzte den Ulk mit viel parodistischem Sinn in Szene. Mit vielseitigen Einfällen belebt er das erheiternde Geschehen, verleiht dem Witz und der Satire Leuchtkraft und liebenswürdige Schärfe. Gewissermaßen ´waschecht´ läßt er das Stück mit all seinen Verwirrungen, Keckheiten und hinreißend komischen Situationen über die Bühne gehen. [...]

Der brausende Beifall am Schluß des Stückes bedeutet, daß der ´Weiberheld´ auch als Musical gefällt. Die Städtischen Bühnen Magdeburg haben mit ihrer Aufführung einen Durchbruch dieser neuen Kunstform im Raume unserer Republik erzielt."

Friedrich Peter Rochow: Die furchtbaren Taten des Prygopolinikes, "Der Weiberheld" als Musical / Uraufführung an den Städtischen Bühnen / Neuer Erfolg für E. Wilde. In: Der Neue Weg, 21. September 1956.

 

"Erika Wildes Neufassung der Komödie verrät Geschick und Talent. Eins daran ist sogar großartig, und Plautus selbst würde über den hübschen Einfall begeistert sein. Sie hat die Figur der Hetäre Akrotelis gestrichen und die Handlung sehr glaubwürdig um die junge Athenerin konzentriert. Sie hat dadurch den zwei großen Männerrollen der Komödie eine große, interessante, viel Spielmöglichkeiten bietende Frauenrolle gleichsam hinzugefügt. Dies müßte für den Erfolg in den Büros der Dramaturgen entscheidend sein. Denn man kann gut und gern etwa auf Lope de Vega verzichten und dafür die Wildesche Plautus-Uebertragung wählen; sie ist den Stücken des Spaniers an Wert, Witz und Wirksamkeit überlegen.

Erika Wilde hat der eingestreuten Songs wegen ihr Werk ein ´Musical´ genannt und greift damit einen neuen Gattungsbegriff auf, den die Amerikaner eingeführt haben. Nun... wir konnten bisher in Europa ein Bühnenwerk als Drama, Groteske, Komödie, Lustspiel, Legende, Mysterium, Posse, Satire, Schauspiel, Schwank, Sketsch, Spiel, Singspiel, Tragödie, Tragikomödie oder Volksstück bezeichnen und vermerken, ob mit oder ohne Musik. Auch Plautus hat seine Komödien durch sehr wirksame Songs unterhaltsamer gemacht, er hat sie trotzdem Komödien genannt und wird im Olymp jetzt augenzwinkernd zur Kenntnis nehmen, daß er Mitautor eines Musicals geworden ist.

Dabei sind die Songs - Erika Wilde schrieb nicht nur die Texte, sondern auch die Musik - sehr gekonnt, oft locker kabarettistisch. Sie fügen sich dem Spiel gut ein, überfordern die Schauspieler nicht und werden deshalb ausgezeichnet gebracht... Warum also nicht ´Musikalische Komödie´? Lassen wir doch Zuckmayer den Vortritt, der sein Schauspiel ´Katharina Knie´ zu einem Musical umarbeitet."

Otto Bernhard Wendler: "Der Weiberheld", Musical in 4 Bildern (frei nach Plautus´ "Miles gloriosus") von Erika Wilde / Uraufführung der Städtischen Bühnen. In: Volksstimme, Organ der Bezirksleitung Magdeburg der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Magdeburg, Nr. 222, 22. September 1956.

 

"Da streiten die Leut´ herum, ob Musical oder Operette oder Singspiel oder Posse mit Gesang. Gewiß ist das kein bloßer Streit um Begriffsdefinitionen. Aber er bleibt so lange müßig, bis er seinen - im Wortsinn - Schauplatz endlich aus der Theorie in die Praxis verlegt.

Erika Wildes Bearbeitung des ´Miles gloriosus´ von Plautus ist unter dem Titel ´Der Weiberheld´ bereits als Lustspiel (in mehr oder minder schwankhaften Inszenierungen) erfolgreich über mehrere Bühnen gegangen. Nun hat sie das hübsche Werkchen zu einem (angeblichen) Musical umgearbeitet. Weil sie als Dramaturgin der Magdeburger Städtischen Bühnen auf der Suche nach einem kleinen heiteren Musikstück war, das leicht spielbar ist und keine Schwierigkeiten beim Erwerben der Aufführungsrechte macht. Ein praktischer Grund. Ein anerkennswerter Grund. Zumal der Inhalt des Lustspiels witzig und - ohne ´ideologische´ Aktualisierung - zeitbeziehbar und zeitkritisch ist.

Doch ist es ein Musical? Bestimmt nicht. Aber warum sollte es auch? Das Stückchen erfüllt seinen guten Zweck, und das ist viel bei der heutigen Operettenmisere. Zumal sich daraus weit mehr und Besseres machen läßt, als es in Magdeburg geschah."

Fritz Erpenbeck: Geschmackvoll, heiter, leicht spielbar, Erika Wildes "Weiberheld" in Magdeburg. In: Theater der Zeit, Heft 11, November 1956, Seite 54-55.

 

 

Medien / Publikationen

 

Literatur

  • Plautus: Miles Gloriosus (Der aufschneiderische Offizier). In einer grundlegenden Neubearbeitung der Übersetzung von Wilhelm Binder durch Walther Ludwig. In: Walther Ludwig (Hrsg.): Antike Komödien: Plautus / Terenz. Band 1, München: Winkler 1966, Seite 515-587. 

  • Wolfgang Jansen: "Es ist ein Fluch, so schön zu sein!", Zur Uraufführung des Musicals ´Der Weiberheld´ von Erika Wilde 1956 in Magdeburg. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 143, Juni/Juli 2010, Seite 50-53.

 

 

Kommentar


Der Musicalfassung voraus ging ein gleichnamiges Lustspiel von Erika Wilde, das 1953 im Gerhart Hauptmann-Theater von Görlitz zur Uraufführung kam.

 

 

Empfohlene Zitierweise


"Der Weiberheld". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 23. März 2020.