Villa Sonnenschein
Ein Musical mit Puppen und Menschen
Idee, Story und Musik von Martin Lingnau
Buch von Heiko Wohlgemuth und Thomas Matschoß
Songtexte von Heiko Wohlgemuth
Inszenierung
Uraufführung: 8. September 2005
Schmidt Theater Hamburg, Bundesrepublik Deutschland
- Regie: Thomas Matschoß
- Musikalische Leitung / Arrangements: Martin Lingnau
- Puppenbau: Götz Fuhrmann, Heiko Wohlgemuth
- Ausstattung: Anja Imig
- Lichtgestaltung: Frank Liebing, Christina Gallasch
- Kostüme: Anja Imig, Frank Kuder
- Choreographie: Benjamin Zobrys
Besetzung:
- Carlotta von Pörtschach: Ingrid Dohse
- Hubert, Carlottas Mann / Maître Jeunot: Uli Pleßmann
- Gustav: Corny Littmann
- Felix / Bruno, das Wildschwein: Benjamin Zobrys
- Mechthild / Die Sonne: Carolin Spieß
- Melanie / Sonnenblumen-Sisters / Die Bettpfanne / Der Bingokarton: Miriam Lotz
- Dr. Mathieu / Julio, die Pflanze / Der Tod: Nik Breidenbach
- Das Sofakissen / Lara, die Lampe / Margarethe: Maria Hermann
Premierenchronik
D | UA | 8. September 2005 | Schmidt Theater, Hamburg |
Inhaltsangabe
"Ein ganz normaler Tag in der Villa Sonnenschein: Wieder einmal geht in dem Seniorenheim alles drunter und drüber. Die alten Leute meckern über das Essen, der Arzt hat plötzlich gekündigt, der Zivildienstleistende hat sich wenige Tage nach Dienstantritt überlegt, dass er doch lieber zum Bund will, und so bleibt alle Arbeit an Frau Mechthild, der Leiterin des Heims hängen. Wie immer, obwohl sie sich doch für ihre lieben ´Tattergreise´ aufopfert und alles dafür tut, um ihnen in der Villa Sonnenschein einen geruhsamen Lebensabend zu bereiten. Für alle will sie nur das Beste!
Mit dieser Meinung steht sie aber so ziemlich allein da. Die alten Leute, allen voran die ehemalige Schlagersängerin Carlotta von Pörtschach, ihr ziemlich vergesslicher 17. Ehemann Hubert und der im Rollstuhl sitzende Querulant Gustav kämpfen schon lange einen aussichtslosen Kampf gegen die Habgier ihrer Heimleiterin.
An diesem, wie gesagt, ganz normalen Tag, beginnt der optimistische Abiturient Felix seinen Zivildienst und damit ist es auch schon mit der Normalität vorbei, denn er verliebt sich Hals über Kopf in Melanie, die Tochter der gestrengen Heimleiterin. Bisher war Melanie ihrer Mutter treu ergeben und packte mit an, wo sie konnte. Plötzlich aber hat sie nur noch Flausen im Kopf und macht jetzt auch noch ihrer Mutter das Leben schwer. Gott sei Dank beginnt an diesem Tag auch Dr. Mathieu seine Arbeit in der Villa Sonnenschein. Der Doktor ist ein äußerst gut aussehender Mann und er und Mechthild verstehen sich glänzend. Gemeinsam entwickeln sie einen furchtbaren, überaus gemeinen, ja sogar nahezu diabolischen Plan: Um das Altenheim noch rentabler zu machen, wollen sie die renitenten Alten mit Psychopharmaka in Tiefschlaf versetzen ...
Dr. Mathieu scheint sich allerdings auch für Melanie zu interessieren, was Felix vor Eifersucht fast in den Wahnsinn treibt. Als er eines Abends den Alten sein Herz ausschüttet, droht er wahrhaftig verrückt zu werden: Der schäbige Aufenthaltsraum der Villa Sonnenschein verändert sich! Die Wände erstrahlen in den schillerndsten Farben und: Hat die Lampe da eben nicht mit ihm gesprochen? Und der Wildschweinkopf, der über dem Sofa hängt? Lachen ihn die Sonnenblumen da hinten etwa aus? Die Gegenstände warnen die Senioren vor dem furchtbaren, überaus gemeinen, ja sogar nahezu diabolischen Plan der Heimleiterin."
(aus dem Programmheft zur Uraufführung)
Kritiken
"Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits seit 2003 läuft am Broadway 'Avenue Q' - eine skurrile Milieustudie über einen ´Ort, an dem man lebt, wenn man es sich anderswo nicht leisten kann´. [...] Die theatralische Überhöhung eines untheatralischen Themas gelang eindrucksvoll durch den Stimm-Verleih der Darsteller an ellenbogenreichende Handpuppen. Der Puppentrick funktioniert auch im Intrigenspiel der Villa Sonnenschein. [...]
Matschoß' Inszenierung schwankt sehr stark zwischen (oft) deftigem Klamauk und (gelegentlich) anrührender Zartheit. Musikalisch ging man kein Risiko ein: Lingnaus Songs sind wie immer eingängig und griffig komponiert, auf eine Live-Band hat man - leider - verzichtet. Gesungen wird trotzdem durchweg passabel, mit dem Stimmungshit ´Am Strand von Tukulele´ setzt Nik Breidenbach samt Puppen-Alter-Ego Dr. Mathieu ein kleines artistisches Highlight.
Jedoch: Die stärksten Momente gelingen ausgerechnet in den 'menschenleeren' magisch-konspirativen Dialogen des animierten Inventars. Wenn der Wandschmuck - ein mächtiger Wildschweinkopf - mit Lampe Lara flirtet, die kitschige Sonne sanft-säuselnd die Szene kommentiert und sogar Bettpfanne und Sofakissen zum quirligen Leben erwachen (Bühnenbild: Anja Imig) - dann juchzt das Kind im Zuschauer und wünscht, die Geisterstunde möge zeitlos sein..."
Walter Wigand: Villa Sonnenschein, Puppen auf der Reeperbahn. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 115, Oktober/November 2005, Seite 4-5.
"Martin Lingnaus Melodien ordnen sich sehr dem sonstigen Geschehen unter: Alles ist passend vertont, aber keine Melodie will so richtig im Gedächtnis hängen bleiben. Manches kommt einem irgendwie bekannt vor. Die Playbacks klingen zu grossen Teilen arg synthetisch und einige Arrangements degenerieren zum ´Um-Ta-Taa´ irgendwo zwischen Gottlieb Wendehals und dem Musikantenstadl. Auch wenn es vielleicht kein fairer Vergleich ist: Mal in ´The Producers´ und natürlich das Vorbild ´Avenue Q´ reinhören - so können Musical Comedys klingen! Die Songtexte (Heiko Wohlgemuth) sind dagegen auf den Punkt, genauso wie die Tontechnik und die Lichtgestaltung.
´Die Villa´ lebt vom gelungenen Puppendesign, dem Charme der Heimbewohner und einigen guten Gags. Aber leider ist nicht jeder Gag ein Treffer. Oder, um Statler & Waldorf zu zitieren:
Statler: ´Ich fand´s toll.´
Waldorf: ´Dir hat auch der Zweite Weltkrieg gefallen.´"
js.: Villa Sonnenschein, Das Altenheim an der Avenue Q. In: https://musicalzentrale.de [Zugriff: 24. Januar 2020]
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- Nik Breidenbach: "Paradies Paris" (CD/Single), dem Programmheft beigefügt, kein Label, keine Nummer.
Empfohlene Zitierweise
"Villa Sonnenschein". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 24. Januar 2020.