POEtry
Musical Opera
Musik, Lyrics und Libretto von Lou Reed
Szenisches Konzept von Robert Wilson
Deutsche Übersetzung von Volker Canaris
Inszenierung
Uraufführung: 13. Februar 2000
Thalia Theater, Hamburg, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Lou Reed
- Musikalische Einstudierung: Mike Rathke
- Regie und Bühne: Robert Wilson
- Regie-Assistenz: Maria Kross
- Bühnenbild-Assistenz: Serge von Arx
- Persönlicher Assistent von Robert Wilson: Stephan Lang
- Persönliche Assistentin von Lou Reed: Dagmar Domrös
- Kostüme und Maske: Jacques Reynaud
- Kostüm-Assistenz: Britta Voigt-Leonardt / Barbara Drosihn
- Licht: Heinrich Bruhnke
Besetzung in verschiedenen Rollen:
- Christoph Bantzer
- Dirk Ossig
- Sonja Cervena
- Sandra Flubacher
- Hans-Jörg Frey
- Björn Grundies
- Angelika Richter
- Stephan Schad
- Sylvia Schwarz
- Christoph Tomanek
- Susanne Wolff
- Helmut Zhuber
Premierenchronik
D | UA | 13. Februar 200 | Thalia Theater, Hamburg |
Inhaltsangabe
"Für das Libretto von POEtry hat sich Lou Reed intensiv mit Edgar Allan Poes Werken beschäftigt. Elf seiner Erzählungen und Gedichte hat er zu einer Szenenabfolge zusammengestellt und mit weiteren Poe-Texten kombiniert. In die Szenen zu 'The Cask of Amontillado' etwa sind Passagen aus Poes witzig-makabrer Erzählung 'Never Bet The Devil You Heart' integriert, und die düstere Parabel 'Shadow', die sich in apokalyptischem Tonfall mit dem Phänomen des Schattens befaßt, ist zu einem Teil von 'The City in the Sea' geworden und für die Gestaltung der Gesamatmosphäre von großer Bedeutung. Abschnitte aus 'The Imp of the Perverse', für Lou Reed der zentrale Text des POEtry-Projekts, sind in mehreren Szenen zu finden. Durch sie entstehen Verbindungslinien zwischen unterschiedlichen Teilen des Stücks.
Einzelne Zitate aus den Poe-Texten sind wörtlich in das Libretto eingegangen. Insgesamt hat Lou Reed jedoch eine eigene Sprache entwickelt, um seine Version der Themen und Geschehnisse in Poes Erzählungen und Gedichten zu vermitteln. [...] Dadurch, daß Edgar Allan Poe in POEtry als Figur - und das gleich doppelt - in seinen eigenen Geschichten auftaucht, wird ein zusätzliches Spannungsfeld sein."
Almut Schmidt aus "These are the stories of Edgar Allan Poe" - Von Poe zu POEtry im Programmheft der UA, 2000.
Kritiken
"Man hat sich nicht nur angewöhnt, über die miserablen schauspielerischen Leistungen von Sängern hinwegzusehen, solange sie nur schön singen: Belcanto nennt sich das Rampentheater 'geläufiger Gurgeln'. Wenn es um die Gesangsdarbietungen von gelernten Schauspielern geht, hat man eine andere Schönfärberei parat: Chanson - durch die Nase gesprochen. Stehen aber Künstler auf der Bühne, die weder das eine noch das andere können, muss dem Kunstfreund nicht bange werden. Er wohnt dann einer 'Performance' bei. Gelegentlich hat man davon gehört, dass es gute Schauspieler geben soll, die wirklich singen können. Sind Text wie Handlung des Stückes purer Nonsens, wird daraus ein 'Musical'. Gibt es außerdem eine literarische Vorlage, sind Regisseur wie Komponist gar Kultfiguren, dann hat man ein 'Ereignis'. So geschehen jetzt an Jürgen Flimms Thalia Theater zu Hamburg bei der neuerlichen Begegnung zwischen dem Regisseur Robert Wilson und dem singenden Underground-Poeten Lou Reed nach 'Time Rocker' vor knapp vier Jahren am selben Ort.
[...] Was nämlich Lou Reed in zwei Akte und zehn Bilder packte und mit Robert Wilsons Visualisierungskünsten auf die Bühne brachte, ist ein wundersames Puzzle aus Poe-Zitaten, interpretiert von Poe-Charakteren aus so unterschiedlichen Geschichten und Erzählungen wie 'Der Fall des Hauses Usher' oder 'Der Rabe', 'Hop Frog', 'Annabel Lee' oder auch 'Die Stadt im Meer', die hier in einer nichtarrativen Struktur ein Gefühlskontinuum des Grauens und des Morbiden schaffen. Damit ist zugleich auch Lob und Verdikt des Stückes verknüpft. [...] Im Grunde haben die beiden so unterschiedlichen Künstler Reed und Wilson vor allem eines im Sinn: die Klangfarbe der Erzählungen Edgar Allan Poes hervorzuheben. Musik wie Bühne und Aktionen sind nicht mehr und nicht weniger als Illustrationen, der Inhalt wird vorausgesetzt und vernachlässigt."
Wolfgang Sander: Glanz des Grauen. Dichtermusical "POEtry" von Robert Wilson und Lou Reed im Hamburger Thalia Theater. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 15. Februar 2000.
"Kein Zweifel, Lou Reed hat mit großer, wohl fast schon symbiotischer Bereitschaft eingewilligt, als Wilson das Thema 'Poe' vorschlug; gehört der Mann aus dem samtenen New Yorker Underground doch zu den leider nicht allzu häufigen Rockmusikern, die weder früh kaputt sind noch ewig jung sein wollen. Längst kennt seine Musik viele Farben, die rockig gleißenden und nicht zuletzt die eingedunkelten aus mancherlei Zwischenbereichen. Beides kann er hier brauchen. Für beides ist Platz in diesem Songspiel aus Bildern. Denn es ist wohl müßig, darauf hinzuweisen, dass auch diesmal wieder keine Handlung abgewickelt, keine durchgehende Geschichte erzählt wird.
[...] Und wenn für 'The Raven' ein bühnenfüllender Umriss des schwarzen Vogels herunterfährt, nimmt es einem den Atem. Das Gedicht spricht Christoph Bantzer, der alte Poe. Dirk Ossig stellt sich und sein Vorhaben gleich zu Beginn des Abends vor und singt: 'These Are The Stories of Edgar Allan Poe. He ain't Exactly The Boy Next Door'. Sehr schön macht er das, mit rotziger Rock-Allüre und dabei ganz Teil eines Ensembles, das sich mit bewunderswerter Sicherheit zurechtfindet in diesem Dschungel von haargenau choreografierten Schritten, das sich ständig umkleiden muss, dabei die todessüchtig gestylten Kostüme von Jacques Reynaud tragen darf. Auf höchstem Niveau der Hingabe und der Professionalität spielt sich das alles ab.
[...] Aber nun: Let's face the music! Die Uptempo-Nummern haben oft etwas wie mit der linken Hand Hingehauenes, im Tourneebus just noch Fertiggewordenes. Aber die Balladen, die Reed vor allem für das Frauen-Trio Sandra Flubacher, Angelika Richter und Sylvia Schwarz eingefallen sind, erzählen wirklich eine Love-Story, mit einer großen Off-Broadway-Innigkeit und einer dieser klassischen Refrainzeilen wie 'You Just Keep Me Hangin' On'."
Werner Burkhardt: Der Raben-Vater. Das Albraum-Musical "POEtry" von Robert Wilson und Lou Reed im Hamburger Thalia Theater. In: Süddeutsche Zeitung, 15. Februar 2000.
"Eine 'musical opera' hat Wilson inszeniert - nach 'Black Rider', 'Alice' und 'Time Rocker' seine vierte in Hamburg. Herausgekommen ist ein Gesamtkunstwerk von atemberaubender Schönheit, in dem Musik, Text, Licht, Bühne, Schauspielkunst und Kostüme perfekt hamonieren. Eine Vision in klaren Farben, ganz hell oder ganz dunkel, aus dem Land zwischen Traum und Wirklichkeit, in dem vor allem eines triumphiert: die Kunst.
[...] Ob man nun vieles von Wilson (wieder-)erkennt oder zum ersten Mal eine seiner Inszenierungen sieht, dem Reichtum dieses gigantischen Bilderkosmos wird man sich nicht entziehen können. 'Oh' und 'ah' kann man bewundernd staunen oder sich intelektuell der Entschlüsselung dieses rätselhaften Zaubers nähern. Spaß dürfte es auf jeden Fall machen."
Armgard Seegers: Reise in die Schattenwelt. Im Thalia Theater hatte Bob Wilsons Inszenierung "POEtry" Premiere - Text und Musik stammen von Lou Reed - Das Publikum jubelte. In: Hamburger Abendblatt, 15. Februar 2000.
Empfohlene Zitierweise
"POEtry". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 14. September 2024.