Passion
Musical
Musik und Liedtexte von Stephen Sondheim
Buch von James Lapine
Basierend auf dem Film "Passione d´Amore" in der Regie von Ettore Scola
Deutsche Übersetzung von Roman Hinze
Inszenierung
Deutschsprachige Erstaufführung: 28. Januar 2011
Staatsoperette Dresden, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Peter Christian Feigel
- Regie: Holger Hauer
- Ausstattung: Christoph Weyers
- Chor: Thomas Runge
Besetzung:
- Fosca: Vasiliki Roussi
- Clara: Maike Switzer
- Giorgio: Marcus Günzel
- Oberst Ricci: Gerd Wiemer
- Doktor Tambourri: Hans-Jürgen Wiese
- Leutnant Torasso: Hardy Brachmann
- Feldwebel Lombardi: Dietrich Seydlitz
- Leutnant Barri: Elmar Andree
- Major Rizzoli: Herbert G. Adami
- Gefreiter Augenti: Martin Gebhardt
- Graf Ludovic: Christoph Simon
- Foscas Mutter: Zanja Höft
- Foscas Vater: Andreas Berg
- Eine Geliebte Ludovics: Inka Lange
- Ein Soldat: Christian Berger
- Soldaten: Christian Berger, Bernd Franke , Dag Hornschild, Tobias Märksch, Mirko Poick, Stefan Trommler, Michael Wagner
- Bedienstete: Katharina Spaniel, Katharina Trimolt-Theodoridis
Premierenchronik
USA | UA | 28. April 1994 | Plymouth Theatre, New York |
GB | EA | 26. März 1996 | Queen´s Theatre, London |
D | Dspr. EA | 28. Januar 2011 | Staatsoperette Dresden |
Inhaltsangabe
In "Passion" hat zu Beginn der junge, gut aussehende Hauptmann Giorgio Bachetti ein leidenschaftliches Verhältnis mit der verheirateten Clara, die - nomen est omen - blond, bildschön und gesund ist, sich in hellen, frohen Farben kleidet und im strahlenden Sopran singt. Clara ist Mutter eines kleinen Kindes, achtet auf ihren untadeligen Ruf und kommt emotional gut mit der heimlichen Liebschaft zurecht. Man schreibt das Jahr 1963. Die Geschichte spielt in Italien.
Bachetti wird von Mailand zu einem einsamen militärischen Außenposten versetzt, irgendwo im Nirgendwo. Clara und er beschließen, ihr Verhältnis durch einen regelmäßigen Briefverkehr fortzusetzen. Giorgio ist ein guter Soldat: gehorsam, diszipliniert, der seine Leute ordentlich drillt und über dessen Tapferkeit sich selbst seine Offiziers-Kollegen bewundernd äußern. Dennoch nimmt er bald die Stellung eines Außenseiters ein, der in der Einöde weder Billard noch Karten spielt und noch nicht einmal mit den anderen Männern ins Bordell geht.
Er lernt Fosca kennen, die - nomen est omen - schwarze Haare hat, hässlich, krank und neurotisch ist, sich in dunkle Trauerfarben kleidet und entsprechend ihrer düsteren Gemütslage im dramatischen Moll singt. Auch sie ist verheiratet, lebt freilich allein. Sie war einige Jahre zuvor an einen Heiratsschwindler geraten, der sie prompt sitzen ließ, nachdem er ihre Mitgift aufgebraucht hatte. Ihre Eltern starben darüber aus Gram, und Fosca zog sich verbittert in die Krankheit zurück. Ihr Cousin Oberst Ricci, der zugleich Bachettis Vorgesetzter ist, nahm sie in seinem Haus auf und lässt ihr über den Militärarzt medizinische Behandlung zukommen. Sie hat nicht mehr lange zu leben.
Fosca wird durch Giorgio verablasst, sich wieder zu öffnen. Sie verliebt sich in ihn. Er wehrt sie ab, wird aber vom Arzt aufgefordert, seine ablehnende Haltung aufzugeben. Diese würde sie ansonsten rasch umbringen. Fosca verfolgt Bachetti mit ihrer Liebe und Leidenschaft, sie lauert ihm auf, zwingt ihn, Liebesbriefe an sie zu schreiben, und zieht sich selbst nach Demütigungen nicht zurück. Schließlich erkennt Giorgio, dass Foscas bedingungslose Liebe, die nichts von ihm erwartet, die trotz Ablehnung und Erniedrigung ungebrochen bleibt und jede Beleidigung verzeiht, die reine und wahre Liebe ist, die viel wertvoller ist als die Liebe zu Clara. Er erkennt hinter Foscas äußerer Hässlichkeit ihre innere Schönheit. Nach einer gemeinsamen Liebesnacht stirbt Fosca. "Your love will live in me..." hinterlässt sie ihm. Die Liebe überdauert den Tod.
(Wolfgang Jansen)
Kritiken
"Immer wieder mal was Anderes, sagt man sich an der Staatsoperette Dresden und platziert ein ungewöhnliches Werk als deutsche Erstaufführung zwischen dem Zigeunerbaron und der Großherzogin von Gerolstein. Nicht direkt geradewegs, aber beinahe, kommt Stephen Sondheims Musical ´Passion´ vom New Yorker Broadway nach Dresden-Leuben. Und was man sich am Broadway nicht leisten konnte zur Uraufführung 1994, was aber der Intention des Komponisten entspricht, ist das große Orchester mit sattem Streicherklang, wie es die Staatsoperette bietet in einer Premiere, die zugleich das Debüt für den neu verpflichteten Kapellmeister Peter Christian Feigel ist. [...]
Am Ende schickt sich die Lichtgestalt Clara in die Einsamkeit einer beziehungslosen Ehe. Fosca, die Leidende, ist tot, Georgio krank und nervlich am Ende. Er ist die wahrhaft tragische Figur dieser Dreiecksgeschichte. Beide Frauen, bewusst oder unbewusst, finden die Bestätigung ihrer Liebesfähigkeit und Liebenswürdigkeit allein im Spiegel seiner Zuneigung. Von hoher Leidensfähigkeit, gepaart mit selbstquälerischer Veranlagung, sind alle drei. Dass wir eigentlich von den Gefühlsverstrickungen zwischen Fosca und Giorgio vornehmlich aus Briefen erfahren, die er mit Clara austauscht, dass sich Fosca ebenfalls als Briefschreiberin und Brieferpresserin in diesen intimen Austausch drängt, ist so raffiniert wie brisant und könnte eine tolle Vorlage für einen Thriller von Hitchcock sein. [...]
Peter Christian Feigel macht sich mit dem Orchester zum Anwalt dieser gefährlich-schönen Klänge. Manchmal aber wünschte man sich, dass es schroffer zugehen möchte."
Boris Michael Gruhl: Verstörende Geschichte, "Passion" von Stephen Sondheim als deutsche Erstaufführung an der Staatsoperette Dresden. In: Dresdner Neueste Nachrichten, 31. Januar 2011.
"Es ist eigentlich keine Musical-Story, und Sondheim hat auch eigentlich keine Musical-Musik geschrieben. Es ist ein quasi durchkomponiertes Stück, viel Sprechmelodien, musikalische Motive, Tonarten, die zu Personen und Gefühlen gehören, die sich überlagern und verschmelzen zu einer dichten und beim Hören kaum entwirrbaren Klangkonstruktion. Sie weben einen Teppich, der die harte Geschichte in einen sphärischen, geradezu abgehobenen Raum bettet. Es dauert fast eine Dreiviertelstunde, bis sich eine Melodie nachvollziehbar als solche entfaltet. Man kann darüber streiten, ob ein solches Stück an die Staatsoperette gehört.Wenn es aber derart gelungen und packend umgesetzt wird,muss man das Ja groß und fett und doppelt unterstrichen schreiben.
Peter Christian Feigel, neuer zweiter Kapellmeister des Hauses, hat die Musik genau interpretiert. Statt Synthesizer verwendet er große Orchesterbesetzung und arbeitet präzise am Klang, trägt und führt die Sänger, gibt der Geschichte einen Klangraum."
Jens Daniel Schubert: Wenn "Passion" zur Passion wird, Mit Stephen Sondheims Musical macht Dresdens Staatsoperette alles richtig. In: Sächsische Zeitung, 31. Januar 2011.
"Beim Analysieren des Werks [nach dem Besuch der Uraufführung] fiel mir dann - zu meiner eigenen Überraschung - auf, dass ´Passion´ in der Musicalversion ganz und gar nicht die wild-romantische Lovestory à la ´Phantom´ ist und von James Lapine am Broadway stark reduziert, aber angedeutet historisch, auf die Bühne gebracht wurde. Vielmehr entpuppte sich ´Passion´ bei näherer Betrachtung als verstörende Rache-Tragödie, in der die scheinbar gebrechliche Fosca mit Giorgio genau das tut, was ihr einst von einem Heiratsschwindler angetan wurde: sie zieht ihn mit gespielter Unterwürfigkeit ins Verderben und tut dies mit geschickt eingesetzten S/M-Ritualen (´Behandle mich wie einen Hund´). Man könnte natürlich sagen, dass das alles typisch Sondheim ist: schließlich liebt der Komponist Puzzles und Krimis und S/M (man denke u.a. an die vor Liebesschmerz schreienden Prinzen in ´Into the Woods´). Setzt man alle Puzzleteile von ´Passion´ zusammen, ergibt sich ein verblüffender Krimi, der mit dem Tod der Hauptdarstellerin und dem Wahnsinn Giorgios endet.
In Dresden ist in der Regie von Holger Hauer von solchen Nuancen nichts, aber auch rein gar nichts zu spüren. Stattdessen sieht man eine wirklich einfallslos zu nennende Kopie der Broadway-Inszenierung (die auf DVD erhältlich ist). Die fahrenden Wände, die Bewegungen und Gänge der Hauptdarsteller, sogar das Zucken der Augen und Hände Foscas - fast alles ist eins-zu-eins vom Broadway übernommen. Neu ist der fließende Einsatz der Drehbühne, so dass alle Szenen naht- und atemlos ineinander greifen. Mit der einzigen Änderung, dass die historischen Frauenkostüme gegen moderne, Otto-Katalog-artige Sommerkleider vertauscht worden sind und die Männer schlecht sitzende rote Fantasieuniformen tragen, was eine historische Einordnung der Geschichte nachgerade unmöglich macht. Für eine moderne Erzählweise der Geschichte hätte man - mit dem Segen Sondheims - stärker ins Stück und seinen Text eingreifen müssen; hier widersprechen sich essentielle Teile der Handlung und des Visuellen, ohne dass daraus ein Mehrwert entstanden wäre."
Kevin Clarke: Sondheim in Sachsen, Deutschsprachige Erstaufführung von Passion an der Staatsoperette Dresden. In: blickpunkt musical, Ausgabe 51, Nr. 02/11, März-April 2011, Seite 4-6.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "Passion". Original Broadway Cast, Studio-Einspielung, USA 1994, Angel CDQ 7243 5 55251 23. (1xCD)
- "Passion". London Concert Cast, Recorded live in concert, featuring original members of the London Cast, First Night 61. (1xCD)
- "Passion". Gesamtaufnahme in deutscher Sprache, inkl. Dialoge, Einspielung 2012, Dresden Cast, Bobby Music 2013. (2xCD)
Kommentar
Der Film "Passione d´Amore" ("Passion der Liebe") von 1981 basiert auf dem Roman "Fosca" des italienischen Schriftstellers Iginio Ugo Tarchetti. Der Roman ist nie ins Deutsche übersetzt worden.
Empfohlene Zitierweise
"Passion". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 27. Dezember 2020.