Die Nachtigall [Köln]
Romantische Operette in drei Akten
Musik von Hans Schanzara
Buch und Gesangsexte von Herbert Hennies
Frei nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen
Inszenierung
Uraufführung: 31. Dezember 1947
Städtische Bühnen, Köln, Deutschland (Amerikanische Besatzungszone)
- Musikalische Leitung: Carl Michalski
- Regie: Joachim Liman
- Bühnenbild: Erich Metzoldt
- Kostüme: Wera Schawlinsky
- Chöre: Peter Hammers
- Tänze: Richter-Köhler
Besetzung:
- Sultan Omar Kaschnur: Wilhelm Otto
- Fatme, ein Hirtenmädchen: Nelly Peckensen-Voosen
- Großwesir Casim Mustapha: Curt Faber
- Mizra, seine Nichte: Trude Schneider
- Mamun Babuk, Haremswächter: Hans Schanzara
- Ali Abdallah, der Bruder Fatmes, Haupt einer revolutionären Verschwörung: Wolfgang Felsing
- Chakaman Labudi-Baba, Führer der fürstlichen Leibwache: Hanns Bosenius
- Sulima, Lieblingsfrau von Omars verstorbenem Vater: Hermine Ziegler
- Hassan, ein Negersklave: Herbert Hennies / Hans Helmut Dickow
- Der Leibarzt: Karl Raaf
- Haremsdamen / Würdenträger / Sklaven / Sklavinnen / Wachleute / Tänzerinnen
Tanz-Finale II. Akt:
- Fakir: Johannes Richter
- Schlange: Melitta Moreno
- 2 Inder: Heinz King / Heinz Schmiedel
- und die gesamte Tanztruppe
III. Akt:
- Arabischer Tanz: Emmy Köhler / Eduard Fehring / Karl-Heinz King / Johannes Richter / Heinz Schmiedel
- und die gesamte Tanztruppe
Premierenchronik
D | UA | 31. Dezember 1947 | Städtische Bühnen, Köln |
DDR | EA | ??.??.1949 | Landestheater Sachsen-Anhalt, Halle |
Inhaltsangabe
"Der junge Sultan, den der Großwesir Mustapha entmachten möchte, wird in seinem Palast fast wie ein Gefangener gehalten. Mustapha redet dem jungen Sultan ein, ihm drohe Unheil vom Volk, doch gerade Mustapha selbst schürt durch drückende Steuern und strengen Strafen die Mißstimmung. Der Großwesir hat den Haremswächter Babuk und die alte Sultanin für seine Pläne gewonnen und versucht jetzt auch seine Nichte Mirza [sic!] zu überreden, gegen den Sultan zu arbeiten Doch diese kokettiert lieber mit dem Leibwächter Chakaman und will von Intrigen gegen den jungen Herrscher nichts wissen. Dieser hat seit gestern Nacht, als er eine wunderbare Mädchenstimme singen hörte, seinen Trübsinn verloren und möchte die Sängerin kennenlernen. Der Großwesir versucht, Mirza als diese auszugeben. Der Sultan glaubt ihm nicht. Als man Fatme, die wirkliche Sängerin, zu Mustapha bringt, hat dieser alle Mühe, das Mädchen am Singen zu hindern. Auf Geheiß des Herrschers bleibt Fatme jedoch im Palast.
Mirza singt dem Sultan vor, der sofort hört, daß es nicht die geliebte Stimme ist, die er kürzlich vernahm. Fatme erkennt bald, in welchen Schwierigkeiten der junge Fürst sich befindet. Sie verrät ihrem Bruder Abdallah, einem Revolutionär, daß nicht der Sultan, sondern der Großwesir das Volk betrüge und quäle. Der Sultan überrascht die beiden, läßt jedoch, von Fatme beschwichtigt, Abdallah gehen. Er ist von dem Mädchen so entzückt, daß er seine 'Nachtigall' fast völlig vergessen hat. Auch Mustapha versucht, sich der schönen Fatme zu nähern, wird aber abgewiesen. Der Großwesir plant nun einen Giftanschlag auf den Sultan, doch der Negersklave Hassan verrät dies Fatme. Als der Großwesir sie zwingen will, dem Fürsten das Gift zu reichen, schlägt sie ihm den Becher aus der Hand. der Sultan zweifelt trotzdem an ihrer Loyalität, da man bei Fatme einen Dolche des Verschwörers Ali findet, den dieser Fatme aber nur zur Selbstverteidigung überlassen hat. Fatme wird des Landes verwiesen.
Der Sultan liegt, vor Sehnsucht nach seiner geliebten Fatme und der immer noch nicht entdeckten 'Nachtigall' trübsinnig, darnieder. Inzwischen hat Chakaman die dem Sultan Treugebliebenen um sich versammelt und versucht, einem Rat Mirzas folgend, den Großwesir zu überlisten. Er verkleidet sich als Magier und fordert den Großwesir auf, Fatme zurückzuholen. Schließlich wird er so eindringlich, daß sich der Großwesir selbst verrät. Der treue Hassan hat Fatme gefunden und bringt sie zurück. Als sie ihm vorsingt, erkennt der Sultan seine 'Nachtigall', seine Schwermut weicht. Fatme, die in diesem goldenen Palast nicht leben möchte, verspricht, sie werde, wann immer der Sultan es wünsche, ihn besuchen."
Heinz Wagner: Das große Operettenbuch. 120 Komponisten und 450 Werke. Parthas Verlag, 1997. Seite 259-260.
Kritiken
"Der Aufbau des Stückes ist schulgerecht, die Technik im einzelnen manchmal wirksamen Vorbildern nachgeahmt, ebenso wie die nicht neuen 'witzigen' Anspielungen auf das Haremsmilieu. Befürchtet man zunächst, der Text ließe den Musikern nicht zum Zuge kommen, so finden sich beide doch bald. Schanzara ist schon bekannt als 'ernsthafter' Komponist von Kammermusik und Liedern, die das Schöne dem Häßlichen vorziehen. Er erweist jetzt auch seine leichte Ader in flotten Aufzugsmusiken und Chören, in grotesken Märschen, Tanzschlagern und vor allem in gefälliger, melodischer Liebeslyrik, Liedern und Duetten.
[...] Es war eine in jeder Hinsicht glanzvolle Aufführung, musikalisch unter der Leitung von Carl Michalski, szenisch unter Joachim Liman, in einem feingegliederten hellen Bühnenbild von Erich Metzold und geschmackvoll phantastischen Kostümen von Wera Schawlinsky. Schauspielkräfte waren in wichtigen Sprechrollen herangezogen, und so wurde geradezu ein Beispiel dafür gegeben, wie der Stil einer Operette künstlerisch gepflegt werden soll.
[...] Die Aufführung dauerte mit den unzähligen Dakapos, die das Publikum durch seinen Beifall erbat, fast vier Stunden. Ebenso unzählige 'Vorhänge' bezeugen am Schluß den großen Erfolg der Aufführung."
W.J.: Schanzaras "Nachtigall". In: Kölner Rundschau, 3. Januar 1948
"Die Reform der Operette, die ungefähr bei jedem neuerscheinenden Werk der Gattung angekündigt zu werden pflegt, ist bis heute ausgeblieben. Auch die beiden Kölner Autoren Herbert Hennies und Hans Schanzara (beide Mitglieder der Städtischen Bühnen), deren 'Nachtigall' jetzt in der Kölner Oper uraufgeführt wurde, versichern uns reformatorische Absichten, und wenn sie auch keine schöpferische Reform von Grund aus zustande gebracht haben so stellt ihr Werk doch den respektablen, mit sauberen Mitteln unternommenen Versuch dar, aus dem eingefahrenen Operettenschema herauszukommen.
[...] Die Musik von Hans Schanzara, den man in Köln auch als gediegenen Kammermusikkomponisten nachbrahmsscher Richtung kennt, ist zwar stilistisch nicht einheitlich, aber sie lebt von guten und prägnanten Einfällen, sie ist koloristisch beweglich, rhythmisch flott, wenn sich Margarete auf Nofretete reimt, und im volkstümlich Lyrischen etwas Leharschen Gepräges ohne die süßliche Klebrigkeit falscher Operettengefühle. Liebeslyrik, Schlager, Tanz und Chor kommen zu ihrem guten Recht. das unvermeidliche 'Tragische' ist angenehm gemildert."
H.: Die Nachtigall. Operettenuraufführung in Köln. In: Rheinische Zeitung - Westausgabe -, 7. Januar 1948.
"Die Seele des Ganzen war Carl Michalski, der vom Dirigentenpult aus auch die dünnsten Fäden zu Bühne und Orchester zu ziehen verstand. Die Ballett- und Solo-Tanzszenen kamen wie von ihm geschaffen und wurden bewundernswert von den Herren Richter, King, Schmiedel und Fehring sowie den Damen Bichler und Köhler und der Tanzgruppe gebracht. Erich Metzold schuf ein schönes, lichtes Bühnenbild, und die phantasie- und geschmackvollen Kostüme Wera Schawlinskys erhöhten den farbig-frohen Gesamteindruck sehr."
Friedel Koch-Steffen: Die Nachtigall. In: Volkes Stimme, 16 Januar 1948.
Medien / Publikationen
Literatur
- Hans Christian Andersen: Die Nachtigall. In: Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen. Aus dem Dänischen übertragen von Albrecht Leonhardt, Gütersloh: Mohn 1959, Seite 112-126.
Kommentar
Die Besetzung stammt aus dem Programmheft vom 18. Juni 1948, so dass sich ggf. leichte Veränderungen zur Besetzung der Uraufführung ergeben können.
Die Hauptrolle des Sultans wurde am Premierenabend auf Grund der kurzfristigen Erkrankung des vorgesehenen Tenors vom Regisseur Joachim Limbach gelesen. Auch Buchautor Hennies spielte in der Uraufführung die Rolle des Negersklaven Hassan.
Empfohlene Zitierweise
"Die Nachtigall [Köln]". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 15. Mai 2025.