Lulu. Eine Mörderballade.
Eine Mörderballade
Musik und Texte von Martin Jacques & Tiger Lillies
nach Frank Wedekind
Inszenierung
Deutsche Erstaufführung: 15. Januar 2016
Theater, Oberhausen, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung und Arrangements: Otto Beatus
- Regie und Adaption: Stef Lernous
- Bühne und Light Design: Sven Van Kuijk
- Kostüme: Marina Sell Cajueiro
Besetzung:
- Shig: Susanne Burkhard
- Lulu: Laura Angelina Palacios
- Jack: Anja Schweitzer
- Dr. Goll: Torsten Bauer
- Alwa: Moritz Peschke
- Schwartz: Eike Weinreich
- Shunning: Michael Witte
Premierenchronik
GB | UA | 28. Januar 2014 | Opera North, Leeds |
D | EA in Engl. | 15. Januar 2016 | Theater, Oberhausen |
Anmerkung: "Lulu. A Murder Ballad" von den Tiger Lilies entstand als Auftragswerk für Opera North Projects, Leeds.
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Titelseite Programmheft Oberhausen, 2016 |
Inhaltsangabe
"Shunning holt die minderjährige Lulu von der Straße, macht sie zu seiner Geliebten und verkuppelt sie, um sich selbst gut bürgerlich vermählen zu können, mit dem perversen Medizinalrat Goll. Der nennt sie Ellie und lässt sie vom Kunstmaler Schwarz porträtieren. Als der bislang asexuelle Schwarz über Lulu herfällt, trifft den hinzukommenden Goll buchstäblich der Schlag. – Schwarz heiratet Lulu, nennt sie Eva und wird durch seine Bilder von ihr reich und berühmt. Als er erfährt, dass Lulu nach wie vor Shunnings Geliebte ist, bringt er sich aus Verzweiflung um. – Shunning heiratet nun selbst die zweifache Witwe und nennt sie Mignon. Doch auch ihn plagt bald die Eifersucht: vor allem auf seinen eigenen Sohn Alwa. Shunning fordert Lulu zum Selbstmord auf. Tatsächlich löst sich aus seinem Revolver ein Schuss…"
Inhaltsangabe vom Theater Freiburg, 2017.
Kritiken
"Man muss nicht darüber nachdenken. Das durch seinen 'Struwwelpeter' berühmt gewordene britische Musik-Kabarett-Trio 'Tiger Lillies', dessen 'Lulu. Eine Mörderballade' der belgische Regisseur Stef Lernous in Originalsprache (deutsche Texteinblendung) als deutsche Erstaufführung eingerichtet hat, sucht nicht nach Ursachen; Fragen nach bürgerlicher Scheinmoral oder dem Kräfteverhältnis zwischen Mann und Frau interessieren wenig. Ohnehin ist der Umgang mit Wedekind frei.
Die Geschichte wird ausschließlich in 18 Songs entwickelt, die Stile zwischen Jazz, Folk, Klezmer, Chanson, Blues und etwas Weill wie in einer Nummernrevue abarbeiten. Dabei folgen die Briten einer stark eingekürzten 'Storyline'; sie reduzieren Lulu auf die stille Dulderin, stellen vorzugsweise auf den männlichen Trieb ab, der blöd macht (Your lust begins, your stupidity wins) oder verkünden Küchenweisheiten wie 'Dir bleibt kein Raum für Gefühle, wenn du arm bist'. Dafür wird aus der Tragödie wirklich eine 'Mörderballade' mit einem allgegenwärtigen Jack the Ripper (Anja Schweitzer).
Wo Dialoge fehlen, weil in den Songs alles gesagt ist, kann die Szene zum Problem werden. Doch in Sven Van Kuijks heruntergekommener Fleischerei mit maroder Treppe und halbblinden Fenstern findet Lernous eindringliche Bilder, die das nicht eben gewaltfreie Geschehen drastisch verstärken (ohne heutzutage schockieren zu können), dann wieder ironisch brechen. Wie Dr. Goll (Torsten Bauer), Alwa (Moritz Peschke), Schwarz (Eike Weinreich) oder Shunning/Schön (Michael Witte) bei Wedekind auch ums Leben kommen – hier legt stets der Ripper letzte Hand an und reiht die Köpfe als Trophäen auf dem Fensterbrett."
Wolfgang Platzeck: „Lulu“ in Oberhausen als Tragödie aus Songs. In: waz (Westfälische Allgemeine Zeitung), 17. Januar 2016.
"Die Scheiben geborsten, die Fliesen abgeschlagen, Staub und verschmierte Graffiti überall. Diese Fleischerei hat bessere Tage gesehen. Der Ast eines toten Baums ragt durch die Wand in den Raum, darauf ruht eine nackte Frau. Drei Kerle heulen sie von unten an. Diese Wölfe hungern nicht nach Fleisch sondern nach Sex. Ihr Herr brüllt sie nieder, lässt sie kuschen.
Animalisch beginnt 'Lulu. Eine Mörderballade' in Oberhausen. Nicht Frank Wedekinds frivole Tragödie über eine Femme fatale, sondern das, was das britische Vaudeville-Trio The Tiger Lillies daraus gemacht haben. Also eigentlich eine Folge von Songs zwischen Kirmes, Folk und Jazz, in denen das Drama um die verführerische Titelheldin erzählt wird, die durch die Betten eines Verlegers, eines Malers, in die bessere Gesellschaft aufsteigt und dann wieder als Hure in die Gosse zurückstürzt. Im Original, 2014 uraufgeführt, singt Martyn Jacques, und im Hintergrund tanzt eine Frau als Lulu auf einer ziemlich aufgeräumten Bühne. [...] Ein famoses Sextett unter Leitung von Otto Beatus spielt die wilde Mischung aus Kurt-Weill-Nachklängen, aus Balkan-Folklore, kernigen Rockgrooves, eingängigem Swing. Und es singen die Schauspieler."
Ralf Stiftel: Stef Lernous inszeniert „Lulu“ in der Version der Tiger Lillies in Oberhausen. In: WA (Westfälischer Anzeiger), 18. Januar 2016.
"In Lernous' anderthalbstündiger Inszenierung verwandelt sich die Bühne in ein Tollhaus des Horrors und der Lust. Es fällt nicht leicht, den Überblick zu behalten angesichts der vielen Ergüsse von Blut, Schweiß, Tränen und anderem Liquiden. Die Metze Lulu ist Anstifterin, Zeugin und schließlich Opfer einer ausufernden Metzelei. Ob es der Zeitungsredakteur Dr. Schön ist, sein Sohn Alwa oder der Medizinalrat Goll, ihre Köpfe rollen im Zehn-Minuten-Takt. 'Burn in hell' heißt es dazu, und über dem grausigen Geschehen weht das Banner des ungehemmten Sexualtriebs.
Eine herausragende Leistung zeigt die Lulu-Darstellerin Laura Angelina Palacios. Ihr Nacktheitsparcours von beinahe kindlich- schamloser Jungfrau zu verzweifelt-ekstatischer Hure ist theaterpreiswürdig. Ihr gehört auch der letzte Song des Abends. 'My heart belongs to Daddy', ursprünglich von Cole Porter komponiert, ist eine rührende Hommage an die Sugar-Daddys der käuflichen Liebe. Große Begeisterung am Premierenabend."
Claus Clemens: Das Herz von Lulu gehört allein ihrem Sugar-Daddy. In: Rheinische Post, 21. Januar 2016.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- Tiger Lilies: Lulu. A Murder Ballad. Misery Guts Music, Tiger 028. (1xCD).
Literatur
-
Frank Wedekind: Lulu – Die Büchse der Pandora. Eine Monstretragödie. Suhrkamp, 2016.
Kommentar
2017 nahm das Theater Freiburg die Oberhausener Inszenierung in ihr Programm auf.
Empfohlene Zitierweise
"Lulu. Eine Mörderballade.". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 13. März 2025.