Die Goldberg-Variationen
Musical von Stanley Walden nach dem Stück von George Tabori
Musik und Texte von Stanley Walden
Deutsche Übersetzung von Ursula Grützmacher-Tabori
Inszenierung
Uraufführung: 26. November 2016
Badisches Staatstheater, Karlsruhe, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Clemens Rynkowski
- Regie: Christian Brey
- Choreographie: Doris Marlis
- Bühne und Kostüme: Anette Hachmann
- Licht: Joachim Grüssinger
Besetzung:
- Mr. Jay: Sascha Tuxhorn
- Goldberg: Jens Koch
- Mrs. Mops / Teresa / Eva / Sarah II: Florentine Krafft
- Ernestina / Goldenes Kalb / Raamah / Adam / Kain/ Abraham / Centurion: Sven Daniel Bühler
- Masch / Abel / Isaak / Erster Krimineller: Jannek Petri
- Japhet / Rauchbombe / Die Schlange: Meik van Severen
- Sarah I / Zweiter Krimineller / Mater Dolorosa: Juliane Bischoff
- Maria Magdalena: Mona Weiblein
- Ensemble / Showtänzer / Tiere / Die ersten Menschen / Das Volk Israel / u.a.: Juliane Bischoff / Jeanette Classen / Susann Sinnemann / Mona Weiblein / Vera Weichel / Johannes Brüssau / Andreas Decker / Christian Miebach
Premierenchronik
D | UA | 26. November 2016 | Badisches Staatstheater, Karlsruhe |
Inhaltsangabe
"'Es werde Licht!' heißt 'Scheinwerfer an!'. In seinem satirischen Meisterwerk erzählt Tabori die Schöpfungsgeschichte als Parabel zwischen Wahn und Wirklichkeit. Assistent Goldberg dient dem Theater als treue Seele und erfüllt jeden Wunsch seines Regisseurs. Ihre neueste Arbeit basiert auf dem Alten und Neuen Testament und soll eine große Show werden, die mit der Schöpfung komödienhaft beginnt und mit der Kreuzigung Jesu tragisch endet. Doch es herrscht Chaos, und so entfaltet sich ein herrlich absurder Witz mit liebevoller Blasphemie."
Homepage des Badischen Staatstheaters Karlsruhe [http://spielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/programm/info/2434/, aufgerufen am 19. August 2021]
Kritiken
"Witz und Klamauk, Blödelei und Tiefsinn liegen in dieser Produktion, die eine vermeintlich mehrfach scheiternde Theaterprobe als Musical präsentiert, dicht beieinander. Inhalt des geprobten Spektakels ist eine bissige Parodie auf die biblische Schöpfungsgeschichte und die Christus-Passion, was – eben wegen des Probencharakters – Pointen und Gags wie am Fließband kreiert. Christian Breys Inszenierung überdehnt allerdings den Spaß: Wenn zum Beispiel Regieassistent Goldberg im Skript eine Szene sucht und nach endlosem Blättern, das gefühlte zehn Minuten dauert, in denen nichts passiert, sein Textbuch umdreht und mit Aha-Effekt die Stelle endlich findet, ist das kein lustiger Lacher, sondern langweilig. Allerhand Ausstattungsscherze (Bühne und Kostüme Anette Hachmann) verstärken Ulk und Klamauk. Da sind auch chorisch singende Revue-Girls, die in einem Musical nicht fehlen dürfen. Sie tanzen in glitzernden Goldfädchen-Kostümen mit erotisch flunkerndem Charme (Choreografie Doris Marlis).
[...] Musikeinspielungen hatte schon Tabori vorgegeben – natürlich von Johann Sebastian Bach, der die 30 Variationen für seinen Schüler Johann Theophilus Goldberg schrieb, aber auch die „Carmen“-Ouvertüre und sogar „Hell's Angels-Musik“ in der 9.Szene. Die Musical-Fassung Waldens bietet zusätzlich englischsprachige Songs, steuert Geräuschkulissen bei und sorgt mit Blues-, Soul- und Rock-Elementen für einen wirkungsmächtigen Sound, der allerdings im Kleinen Haus des Badi-schen Staatstheaters mehrfach übersteuert wird, so dass nur noch vokaler und instrumentaler Lärm zu hören sind. Dafür können die Sänger und die von Clemens Rynkowski schwungvoll geleitete sechsköpfige Band nichts.
Irgendwann wird plakativ auf eine Bühnenwand Nietzsches nihilistisches Diktum projiziert: „Gott ist tot“. Der verblüffende Widerspruch lautet: „Nietzsche ist tot“. Ein Augenblick, der „Die Goldberg-Variationen“ mit komödiantischem Ernst akzentuiert."
Eckehard Uhlig: Überdrehte Satire. Stanley Walden: Die Goldberg-Variationen. In: Die Deutsche Bühne, 26. November 2016.
"Der heute 84-jährige Stanley Walden war 1969 einer der drei Komponisten der Avantgarde-Nacktrevue 'Oh! Calcutta!', die sich hartnäckig auf der Liste der meistgespielten Broadway-Werke hält. Sehr viel später schrieb er 'Cafe Mitte' fürs Berliner Grips-Theater und war maßgeblich am Aufbau des Musical-Studiengangs an der Berliner Hochschule der Künste beteiligt. Walden hat die Schauspielmusik für unzählige Tabori-Stücke geschrieben, was ihn wohl qualifizierte, eines der berühmtesten davon zum Musical zu machen - oder vielleicht besser: mit Musik zu illustrieren, denn die Songs wirken manchmal eher beiläufig, nicht wie emotionale und intellektuelle Knotenpunkte.
Während die episodenhafte Handlung ständig zwischen der nachgespielten Schöpfungsgeschichte und den Befindlichkeiten des Theaters hin- und herspringt, macht Waldens Musikstil keinen Unterschied zwischen den beiden Sphären; vieles entspricht einem nostalgischen Musicalbegriff, klingt nach einem gemütlichen Broadway-Jazz der 60er, 70er-Jahre."
Angela Reinhardt: Die Goldberg-Variationen. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 183, Februar/März 2017, Seite 38.
"Da ist sofort Atmosphäre im Raum, und die später noch in zahlreichen anderen Rollen brillierende Schauspielerin Florentine Krafft setzt als singend sinnierende Mopps-Putze mit einer virtuos groovenden Blues-Stimme ein. Leider gelingt danach nicht mehr alles so verheißungsvoll. Dabei ist die sechsköpfige Band, die hier unter Clemens Rynkowskis Leitung fast zwei Dutzend Instrumente spielt und mitunter einen Orchestersound zaubert, ganz fabelhaft. In den Choreografien von Doris Marlis singen und tanzen die acht Schauspieler/-innen plus noch mal acht freien Tänzer zudem gut. Doch entwickelt Christian Breys Personenregie in den aufwendig variantenreichen Bühnen- und Kostümbildern von Anette Hachmann über den äußeren Rahmen hinaus wenig Sinn für den taborisch tieferen dramatischen Zusammenhang.
[...] Am Premierenende gab’s für alle Ovationen. Das lässt ahnen, was aus Tabori-Waldens 'Goldberg'-Musical noch werden könnte. Es heißt, Berlins Komische Oper hat Interesse. Eine weitere Verheißung."
Peter von Becker: Endlich wieder Licht. Stanley Waldens Musical-Adaption der „Goldberg-Variationen“. In: Der Tagesspiegel, Berlin, 5. Dezember 2016.
Medien / Publikationen
Literatur
- George Tabori: Die Goldberg-Variationen. Deutsche Übersetzung von Ursula Grützmacher-Tabori. Ebook, Kiepenheuer-medien.de, 2020.
Empfohlene Zitierweise
"Die Goldberg-Variationen". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 19. August 2021.