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Fanny Hill

Musical


Buch und Texte von Günther Schwenn
Nach dem Roman von John Cleland
Musik von Paul Kuhn

 


Inszenierung


Uraufführung: 7. Oktober 1972  
Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen, Bundesrepublik Deutschland
 

  • Regie: Günter Könemann
  • Choreografie: Herbert F. Schubert
  • Musikalische Leitung: Paul Kuhn
  • Bühnenbild: Waltraut Engelberg
  • Kostüme: Eva Maria Schröder
  • Choreinstudierung: Julius Asbeck


Besetzung:

  • Fanny Hill: Marlene Charell / Doris Bierett
  • Charlie: Günter Hohmeier
  • Reginald: Wolfgang Odendahl
  • Mr. Heggarth: Werner Vespermann
  • Sir Edward: Hans Hinrich
  • Phoebe: Birke Bruck
  • Jack, ein Gauner: Günter Nowak
  • Mac, ein Gauner: Walter Cuhay
  • Mrs. Brown vom "Trockendock": Sophie Heigl
  • Mrs. Call: Ingeborg Kloiber
  • Esther: Heidrun Holl
  • Jonathan: Waldemar Mauelshagen
  • Mrs. Smith: Annemarie Dölitzsch
  • Der General vom "Blauen Stern": Willi Kunzmann
  • Der Sänger Alfredo: David Ogg
  • Mary-Ann: Christa Eberhard
  • Die Zimmerwirtin Mrs. Jones: Johanna Kaufhold
  • Ein Schneider: Luis Casa
  • Der Matrose James: Horst Strahlendorf
  • Der Schloßverwalter George: Jan Thompson
  • Konstabler: Wolfgang Schulz
  • Möbelträger: Gerhard Ziemann / Heinz Lichte
  • Ballett: Damen und Herren des Corps de ballet

 

 

Premierenchronik

D UA 7. Oktober 1972 Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen
FIN EA 31. Oktober 1973 Genossenschaftstheater Kuopio, Helsinki
A EA 25. Januar 1974 Raimund Theater, Wien

 

 

Inhaltsangabe


"An einem unhistorischen Septembermorgen erschien, so nett und sauber geputz wie es ihre ländliche Kleidung erlaubte, Jungfer Fanny Hill im Vermittlungs-Comptoir der Mrs. Smith. Ihr Anliegen vorzutragen, oder besser vorzustammeln, fand sie bald Gelegenheit: Der ´Poet´ Reginald, der im Büro die Dienste eines Kanzlisten versah, hörte sie an und versprach ihr, von ihrem ungeschminkten Wesen symphatisch berührt, zu helfen. Beide Gespräche wurde unterbrochen durch den Eintritt des Handelsherren Heggarth, dessen Wohlgefallen Fanny auf den ersten Blick erregte. Kaum hatte er den Raum verlassen, um eine ihm empfohlene Köchin in Augenschein zu nehmen, trat Mrs. Brown ein, die Inhaberin des ´Trockendocks´, einer Gastwirtschaft in Hafennähe, von der man sagt, schon in Singapur würde man gewarnt vor ihr. Mrs. Brown mustert Fanny vom Kopf bis zu den Füßen und, überzeugt ein geeignetes neues Schankmädchen gefunden zu haben, steckte sie ihr den Handschilling zu und zog sie mit sich vor.

Während vor dem Eingang zum ´Trockendock´ Mac und Jack, zwei hilfsbereite Herren, Bürger und Matrosen zum Besuch des Lokals animierten und der General vom "Blauen Stern" mit seinen Brüdern und Schwestern sich die Rettungen gestrauchelter Seelen angelegen sein ließ, oblag Fanny eifrig ihren Hantierungen an der Theke, von Mrs. Brown vor Verführung und Laster in der Absicht bewahrt, den ´Goldfisch´ Fanny an einen nicht mit Ablösegeld geizenden Kavalier zu versilbern. Ihre Erwartung schien sich zu erfüllen: von Heggarth beauftragt erschien Mrs. Smith, um für ihn Fanny zu erhandeln. Der sie begleitende ´Poet´ Reginald nutzt das Wiedersehen mit Fanny, ihr ein kleines Büchlein mit dem Rat zu überreichen, sie möge alles, was an tiefen Erlebnissen ihr widerfahre, seinen Seiten anvertrauen. Mrs. Smith's Handel hätte schnell seinen Abschluß gefunden, wäre nicht mit anderen Kadetten des Schulschiffes ´Britannia´ ein Jüngling, schlank und wohlgebaut, ins ´Trockendock´ gekommen: Charlie. Als seine Blicke denen Fannys begegneten, entbrannten beide in Liebe zueinander. Charlies Aufforderung, mit ihm zu fliehen, gab Fanny die ihr vom Herzen diktierte Antwort und beide verließen eilig das ´Trockendock´ durch ein Kellerfenster.

In einem großen Himmelbett genossen sie die süßen Taumel und schmelzenden Entzückungen ihrer Liebe. Aber die Grausamkeit des Schicksals hielt nicht ein vor dem Kissenparadies und trennte die beiden. Mr. Heggarth hatte Fanny's Aufenthalt ausgekundschaftet und konnte, begünstigt von der Zimmerwirtin Jones, die Beseitigung Charlies durchführen lassen: der als Polizist verkleidete Jack wurde zu ihm gesandt mit der Order, Charlie sofort an Bord der ´Britannia´ zu bringen. Charlie, dem strengstes Stillschweigen über die schnelle Abberufung gegenüber Fanny anbefohlen wurde, mußte gehorchen.

Wenn auch Heggarths erster Versuch, die verlassene Fanny für sich zu gewinnen scheiterte, so erfüllten sich doch bald seine Hoffnungen: Vom Idol ihres Herzens getrennt, mittellos in Kummer und Verzweiflung gestürzt, blieb ihr endlich nichts anderes übrig, als sich Heggarth anzuvertrauen. Alle Requisiten des Putzes und der Eitelkeit kamen für Fanny, Heggarths erklärter Maitresse, ins Haus und wurden von ihr angenommen. Aber obwohl der erfahrene und vitale Mann ihren Körper immer wieder zu entflammen wußte, dachte sie allzeit an Charlie, von dem keine Kunde sie erreichte. Reginald, der mittlerweile in der ´Akademie´, einem Etablissement, das wohlhabenden Kavalieren jede Art wollüstiger Genüsse ermöglichte, Zeremonienmeister geworden war, gab Fanny Unterricht in Anstandslehre. Er versäumte dabei nicht, ihre Tagebucheintragungen zu prüfen, die er poetisch zu verwerten gedachte.

Fanny Leben floß ohne wichtige Begebenheiten dahin, bis sie eines Tages, kurz nachdem sie Sir Edward, den großen Kontrahenten Haggarths kennengelernt und in diesem für sich Symphatie erweckt hatte, durch Zufall ein Gespäch Heggarths mit Mac und Jack belauschte, das ihr Heggarths schändliches Spiel bei Charlies plötzlichem Verschwinden offenbarte. Die Ursache des Gespräches wurde ihr von Heggarth allzubald klargemacht: Mac und Jack waren mit der amtlichen Nachricht gekommen, die ´Britannia´ sei im Sturm gesunken, Charlie sei tot. Fanny mußte nun in Heggarth den Hauptschuldigen am Tode ihres Geliebten sehen. Ihr Entschluß, der Rache bitterer Süße ihr Herz zu öffnen, stand fest.

Von Sir Edward und dem getreuen Reginald unterstützt, konnte sie bald ausführen, was sie geplant hatte. An Heggarths fünfzigstem Geburtstag, gerade als er mit Fanny und einigen Geschäftsfreunden einen fröhlichen Wett- und Bettstreit eröffnen wollte, erschien ein Konstabler, ihn zu verhaften. Als diejenige, die seinen Opiumschmuggel der Obrigkeit kundgetan und die Verhaftung arrangiert hatte, gab sich Fanny triumphierend zu erkennen. Von Heggarth befreit, beschloß sie, ihren Weg allein zu gehen und im feinsten Haus der Stadt ihre Jugend und Schönheit käuflich zu machen.

In der von Mrs. Call geleiteten und mit jedem Artikel der Bequemlichkeit und des Luxus ausgestatteten ´Akademie´ wurde Fanny bald innerhalb einer häuslichen Herde schöner Mädchen der Stolz des Instituts und Star kultivierter Liebesfeste, zu deren Gästen neben dem Protektor der ´Akademie´, Sir Edward, auch Mr. Heggarth zählte, der nur kurze Zeit seine Freiheit entbehrt hatte. Auf einer solchen Lustbarkeit, in die der auf Rettung gestrauchelter Seelen bedachte General vom ´Blauen Stern´ hineingeriet, kam Fanny die Idee sich zu Gunsten der Seelenretter versteigern zu lassen. Die Versteigerung endete für den ´Blauen Stern´ mit einer Summe, die den Bau eines Heimes ermöglichte, und für Fanny mit Sir Edwards Heiratsantrag.

Die mit dem vereinnahmten Geld gefüllte Vase allerdings wäre um ein Haar abhandgekommen. Von Mrs. Call war der Schatz Phoebe, einer Fanny schon vom ´Trockendock´ her bekannten Liebesverkäuferin anvertraut worden. Selbige versuchte im Bunde mit Mac und Jack sich seiner zu bemächtigen, und nur die Tatsache, daß das Wunder des so plötzlich erlangten Reichtums den dreien die Nerven zu sehr strapazierte, und das rechtzeitige Erscheinen eines Konstablers ermöglichten, daß der Hort für seinen edlen Zweck erhalten blieb.

Sir Edward erlebte die beschlossene Vermählung mit Fanny nicht. Das Testament, das er vor seinem Ableben unterzeichnete, bestimmte sie zur einzigen Erbin. Wohlhabend und geehrt begann Fanny von den Bäumen des Schloßparks beschatten, zu lernen einsam zu sein.

Im stolzen Bewußtsein nicht umsonst geliebt zu haben, konnte sie an der Grundsteinlegung des Heims für gestrauchelte Seelen teilnehmen. Der Tag brachte zwei Überraschungen für sie: Reginald überreichte ihr die Erstausgabe der ´Memoiren der Fanny Hill´, von ihm in künstlerische Form gebracht. Und der totgeglaubte, aber den Meerstürmen entronnene Charlie eilte auf Fanny zu, mit ihr einig in dem Entschluß eine Ehe zu führen, die keine Alltagsehe zu werden versprach."

(aus dem Programmheft der Uraufführung)

 

 

Kritiken


"Beifallsstürme für ein Musical? Nein, für ein kunterbuntes Schlager-, Sing-, Sang- und musikalisches Tralala-Potpourri mit ein paar anhörenswerten Titeln, aufgemotzt und optisch hochgetrimmt durch fernsehbekanntes Beingeschlenker (Choreographie: Herbert F. Schubert) und aufwendige Ausstattung (Waltraut Engelberg / Eva-Maria Schröder). Wer da frivolen Witz, Schmiß und augenzwinkernde, kesse Ironie erwartet hatte, konnte nur Däumchen drehen. Günther Schwenn (´Maske in Blau´) hat's Freudenmädchen Fanny in Richtung ´My fair Lady´ und ´Irma la Douce´ frisiert, in Richtung sentimentale Süße und naiven Operettenkitsch hingebogen und ihr Charly beigegeben, den smarten Schulschiff-Offiziersaspiranten, den sie als erstes glücklich macht und den sie trotz späteren Männerverschleißes nicht vergessen kann."

Klaus Morgenstern: Fernsehbekanntes Beingeschlenker. In: Münchener Abendzeitung, 9. Oktober 1972.

 

"Vorweg: Es war ein Theaterabend negativer Superlative. Da hatten sich Günther Schwenn [...] und der Allround-Unterhalter Paul Kuhn über John Clelands nun schon über zweihundert Jahre alten erotischen Roman ´Fanny Hill´ hergemacht und aus den noch vor wenigen Jahren von übereifrigen Sittenwächtern gerichtlich verfolgten ´Memoiren eines Freudenmädchens´ ein Musical zusammengestoppelt, das mit dem Buch lediglich den Namen, aber keine Qualität mehr gemeinsam hat. [...] Dieser ganze Sud, aufgekocht in der anreißerischen Manier gewisser Illustrierten und mit Witzchen und Sprachspielereien primitivster Art garniert, verfehlte seine Wirkung nicht auf ein - überwiegend älteres - Premieren-Publikum, das vornehmlich gekommen war, um sich selbst zu feiern - und das in einem hoch subventionierten Haus. Selbstgefällig und heftig applaudierte es, mitunter in Klatschmarschmanier. Wem ist da noch zu helfen?"

Fred Viebahn: Rumtata und "Sexikon" von A bis Happy End. In: Mannheimer Morgen, Nr. 235, 11. Oktober 1972.

 

"Marlene Charell (28) debütierte als Diva; ein deutsches Fräuleinwunder, das schon im Pariser Lido und in Las Vegas mittanzte. Abgesehen von ihrem völligen Mangel an erotischer Ausstrahlung, brachte sie alle Eigenschaften mit [...]: blendend schönen Wuchs vor allem, und eine unwiderstehliche Sicherheit im Bühnenspiel und Tanz. Viele andere Rollenträger hatten sich auf ein angenehmes Trivial-Operetten-Niveau geeinigt. Bei ihnen mußte man daher oft dreimal hinschauen, bis sie sich als Standespersonen, Kleinbürger, Stadtpolizisten oder Lasterhöhlen-Insassen genügend deutlich voneinander abhoben. Gesungen wurde meist nur andeutend, gesprochen überwiegend unverständlich."

Heinrich von Lüttwitz: Leicht gewässert. In: Rheinische Post, Düsseldorf, 9. Oktober 1972.

 

"Beim Musical schielen die Deutschen nach Übersee. Der Broadway ist seit einem halben Jahrhundert Lieferant für Produktionen dieser ´Schauspiele mit Musik´. Doch immer wieder reizt auch Europäer das Musical - so 'Paulchen' Kuhn, Pianist und Komponist aus Berlin, der frisch ans Werk ging, um die literarische Lebedame ´Fanny Hill´ musikalisch einzubetten. Nach der Uraufführung dieser meist, wegen Obszönität verbotenen Memoiren im Musiktheater im Revier werden die Deutschen allerdings auch weiterhin gen USA schielen. Sollte das Musical ´Fanny Hill´ ein großer Publikumserfolg werden, dürfte das in erster Linie an dem einschlägigen Ruf liegen, den diese Gunstgewerblerin der erotischen Weltliteratur auch hierzulande genießt."

Hans-Jörg Loskill. Lust und Leid der Lebedame. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 9. Oktober 1972.

 

 

Medien / Publikationen

 

Audio-Aufnahmen

  • Single 7'', Metronome, Marlene Charell / Orchester Paul Kuhn A: Wer bietet mehr / B: Ich geh' meinen Weg allein

 

Literatur

  • John Cleland: Fanny Hill, Memoiren eines Freudenmädchens. Gütersloh: Bertelsmann (o.J.). 

 

 

Empfohlene Zitierweise


"Fanny Hill" [Gelsenkirchen]. In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 27. Februar 2020.