Der Elefantenmensch [Berlin]
Die traurige Ballade von John Merrick genannt: Der Elefantenmensch
Musik von Niclas Ramdohr
Text von Peter Lund
Inszenierung
Deutsche Erstaufführung: 22. April 2004
Neuköllner Oper, Berlin, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Hans-Peter Kirchberger / Niclas Ramdohr
- Regie: Peter Lund
- Choreografie: Götz Hellriegel
- Bühnenbild: Ulrike Reinhardt
- Kostüme: Reinhild Blaschke
Besetzung:
- John Merrick: Samuel Schürmann / Jörn Linnenbröker
- Faghead: Heiko Stang
- Zirkusdirektor: Joel Kirby
- Broomstick / siamesischer Zwilling: Michael Hoffmann
- Dr. Treves: Erwin Bruhn
- Dr. Pimple / Skelettmann: Guido Kleinadam
- Anna: Claudia Stangl
- Mrs. Kendal / Zwerg: Elena Brandes
- Prof. Bolingbrooke / bärtige Frau: Klaus Siebers
Premierenchronik
A | UA | 12. März 2004 | Theater der Jugend, Wien |
D | EA | 22. April 2004 | Neuköllner Oper, Berlin |
Anmerkung: Gemeinschaftsproduktion des Theater der Jugend, Wien und der Neuköllner Oper, Berlin.
Inhaltsangabe
"London 1862.
Ganz England spricht von John Merrick, dem sagenumwobenen Elefantenmann, den Doktor Treves auf einem Jahrmarkt entdeckt hat und der jetzt sogar der Königin vorgestellt werden soll. Zu interessant sind aber auch die Gerüchte, die sich um diese Mißgeburt ranken; der menschlichen Sprache soll er mächtig sein, und gar eine Seele soll diese Kreatur besitzen.
Die ebenso unglaubliche wie wahre Geschichte des John Merrick wird neu erzählt mit den Augen der vierzehnjährigen Anna Treves, die ihn gemeinsam mit ihrem Vater John auf dem Jahrmarkt entdeckt, die so gerne ein Haustier hätte und glaubt, John könnte dieses Haustier sein. Es dauert eine ganze Weile, bis Anna begreift, dass es einen gewaltigen Unterschied ausmacht, ob man irgendwann aus seinem ungeliebten Körper herauswächst oder auf ewig in ihm eingesperrt bleiben muss. Und auch, wenn die gefeierte Schauspielerin Mrs. Kendall immer wieder beteuert, dass der Mensch alles sein kann, was er sich wirklich glaubt und Doktor Treves wirklich glaubt, dass alles repariert werden kann, was den Menschen krank macht, ist Anna vielleicht die Einzige, die weiß, dass John weder Glauben noch Medizin werden helfen können."
Homepage Peter Lund [https://www.peterlund.de/buch/musical/der-elefantenmensch, aufgerufen am 20. Februar 2022].
Kritiken
"Wer je David Lynchs Film-Drama „Der Elefantenmensch“ sah, kann sich diesen düsteren Stoff kaum als flottes Singspiel vorstellen. Was wieder einmal beweist, dass in der Neuköllner Oper nichts unmöglich ist. Dort haben Peter Lund (Text/Regie) und Niclas Ramdohr (Musik) die wahre Geschichte der Missgeburt John Merrick, der von der Freak-Show aufstieg in Londons beste Kreise, als äußerst unterhaltsames Musical zur Uraufführung gebracht. Fast schon eine Quadratur des Kreises: Denn trotz aller Komik gelingt es den Autoren, Nachdenklichkeit und humanitäres Anliegen gleich mit zu transportieren. Dazu ein über die Maßen spielfreudiges und mit großartigen Stimmen und Kostümen ausgestattetes Ensemble, das die Rixdorfer Opernbühne mal in eine Jahrmarktsbude, dann wieder in ein viktorianisches Edelgemach verwandelt. Und so ist der Zuschauer ständig hin- und her gerissen, ob er mit dem Taschentuch Freuden- oder Trauertränen trocknen soll – wunderbar!"
[ohne Autorennennung]: Zum Weinen schön: Der Elefantenmensch. In: BZ, Berliner Zeitung, Presse, 21. April 2004.
"Jetzt ist er in Berlin: „Die traurige Ballade von John Merrick, genannt der Elefantenmensch“ heißt die Produktion der Neuköllner Oper, in der Niclas Ramdohr (Musik) und Peter Lund (Text) den wahren Fall neu aufrollen. Ein ehrgeiziges Unterfangen, das die Welt des großen Musicals auf die kleine Off-Bühne zaubert. Mehr als für die Leidensgeschichte Merricks interessiert sich Lund für die Reaktionen der Zeitgenossen: Er erfindet die pubertierende Anna (stimmlich herausragend: Claudia Stangl), die ihre eigene Unzufriedenheit auf den Elefantenmensch projiziert, und die alternde Schauspielerin Mrs. Kendal (Elena Brandes), die den Menschen hinter der unfreiwilligen Maske sieht und doch blind dafür ist, dass die Rollen des Lebens kein Abschminken kennen. Lund und Ramdohr beweisen, dass man die alte Geschichte von der Schönen und dem Biest packend erzählen kann, ohne sich in die Tasche zu lügen."
Carsten Niemann: Der Elefant singt. In: Der Tagesspiegel, 24. April 2004.
"Egal wie man zu dessen abwaschbaren Plastik-Bombern mit je einem Hit stehen mag: Sein Mega-Erfolg bleibt sexy. So mag auch Peter Lund, der scheidende Leiter der Neuköllner Oper, einen stillen Lloyd Webber-Quell in seiner Brust gefühlt haben. Jetzt ist die Quelle explodiert. Mit der "Traurigen Ballade von John Merrick, genannt Der Elefantenmensch" drängt ein Romantik-Stoßseufzer und Tränen-Jauchzer an die Neuköllner Luft, wie man ihn selbst hier kaum für möglich hielt.
"Der Elefantenmensch" von Peter Lund (Text) und Niclas Ramdohr (Musik) ist der Versuch eines Romantik-Musicals von viktorianischem Schmachtgrad. [...] Deutet das alles auf einen Misserfolg? Nein! Mit beiden Augen wird in Neukölln zum Broadway geschielt. In der Substanz aber bleibt das Ergebnis hinter "Les Misérables" kaum zurück. Man klebt respektvoll am Vorbild - und will es nicht überbieten. Niclas Ramdohr übergießt pulsierende Endlosmelodien (von drei Keyboards) mit Cello-Kantilenen, pumpt musikalischen Kunstnebel über Ulrike Reinhards schwarze Nachtclub-Bühne. Der Abend wäre auch unter dem Titel "Das Phantom der Neuköllner Oper" ein Erfolg. Oder als "Les très Misérables".
Das Klischee, die Neuköllner könnten gute Sänger nicht bezahlen, wird von Claudia Stangl, Elena Brandes und Samuel Schürmann widerlegt."
Kai Luehrs-Kaiser: Das Phantom der Neuköllner Oper. In: Berliner Morgenpost, 24. April 2004.
Medien / Publikationen
DVD / Video
- "Der Elefantenmensch". Spielfilm von David Lynch mit Anthony Hopkins und John Hurt, 1980. Studio Canal, 2010. (1xDVD)
Literatur
- Ashley Montagu: The elephant man. A study in human dignity. Arcadian House, Lafayette, USA, 2001.
Empfohlene Zitierweise
"Der Elefantenmensch [Berlin]". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 20. Februar 2022.