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Hallo, Dolly! (Hello, Dolly!)

Musikalische Komödie 


Musik und Gesangstexte von Jerry Herman
Buch von Michael Stewart 
Nach "The Matchmaker" von Thornton Wilder
Deutsche Übersetzung von Robert Gilbert

 

 

Inszenierung


Deutschsprachige Erstaufführung: 26. November 1966
Düsseldorfer Schauspielhaus, Bundesrepublik Deutschland

  • Musikalische Leitung: Klaus Doldinger
  • Inszenierung und Ausstattung: Jean-Pierre Ponnelle
  • Choreografie: Dick Price

 

Besetzung:  

  • Mrs. Dolly Wassiljewa, geb. Jempschjujuikowa: Tatjana Iwanow
  • Ambrose Kemper: Andreas Herzau
  • Horace Vandergelder: Otto Rouvel
  • Ermengarde: Ulrike Just
  • Cornelius Hackl: Wolfgang Arps
  • Barnaby Tucker: Wolfgang Reinbacher
  • Minnie Fay: Evelyn Balser
  • Irene Molloy: Ingrid Ernest
  • Rudolph: Richard Elias
  • Ernestina: Birgid Füllenbach

 

  • Ensemble: Marianne Terplan, Isabell Alder, Dietlind Blume, Josefine Engelskamp, Gisela Goth, Ledia Haferkamp, Jörg Benedict, Alfred Holl, Hans-Adalbert Karbe, Edgar Kindermann, Willi Kowalj, Eckart Aschauer, Hans Kiery, Rainer Pawliska, Bernd Richter

 

 

 

Premierenchronik

USA UA 16. Januar 1964 St. James Theatre, New York
GB EA 2. Dezember 1965 Drury Lane Theatre, London
D Dspr. EA 26. November 1966 Schauspielhaus, Düsseldorf
CH EA 1. September 1967 Komödie, Basel
A EA 10. September 1968 Theater an der Wien, Wien
DDR EA 18. Dezember 1970 Metropol-Theater, Berlin

 

 

 

Inhaltsangabe


"Die Zuschauer werden zu Komplizen gemacht. Zu Spießgesellen Dollys, der schönen rothaarigen Witwe, die, wie alle rothaarigen Witwen, auch solche auf den Zähnen hat. Von Beruf Heiratsvermittlerin im Geldmacher-New York der plüschigen Jahrhundertwende, prall voll Lebenslust, voller Ein- und Ausfälle, tritt sie aus den Pferdedroschken-Kulissen der 14. Straße auf den Laufsteg hinaus mitten hinein ins erstaunte Publikum. Da findet sie alle jene, die schmunzelndes Verständnis haben für das, was die Schöne im Schilde führt: sie wird sich einen Halbmillionär angeln, den knorrigen, heiratslustigen Krämerladenbesitzer Vandergelder. Beileibe nicht um des Dollars willen, nein, man soll nicht von heute auf damals schließen! ´Geld´, das sagt Dolly, ´Geld, verzeihen Sie den Ausdruck, ist wie Mist. Es ist zu nichts nutze, es sei denn, man streut´s aus, damit junge Dinge zum Wachsen ermutigt werden.´

Dollys ´junge Dinge´ sind reichlich an Zahl und ärmlich an Wahl: Den in Vandergelders Lagerkeller eingesperrten Kaufmannsgehilfen Hackl und Tucker bleibt nichts übrig für Liebe, Freihzeit und Glück. Nichts auch der Hutmacherswitwe Molloy und ihrer vor Erwartung bebenden Gehilfin Minnie. Nichts auch dem - mehr Hunger- als Künstler! - haarigen Sängerdichter Kemper und seiner angebetenen, vor Kindlichkeit quäkenden Ermengarde, die leider Nichte ist des hartherzigen Vandergelder.

Aber aus der Enge der Kleinstadt Yonkers, die sich ihren Wünschen wiedersetzt, führt sie die Großzügigkeit New Yorks, dieses Millionengewimmel, zueinander, jeder zum passenden Partner, zur wartenden Partnerin. Mit und ohne Geld, aber immer mit Glück. Vandergelders Grobkörnigkeit verdichtet sich im Wirbel von Straßenauflauf, Versteck-Komödie, Vorhangzimmer-Idylle und Gerichts-Parodie (fast Kafka-Kopie) zu feinnerviger Selbsterkenntnis. Der grobe Klotz wird als Angeklagter verurteilt, nein, nicht dazu, die großartige Dolly zu heiraten, nein, er muß ´die jungen Dinge wachsen´ lassen. Und es ist nur zu natürlich, daß er dabei der Dolly zu Füßen und anheimfällt. Die Heiratsvermittlerin ist unvermittelt vermittelt."

(aus: Konrad Simons: "Hallo, Dolly" kam an, Broadway-Bühnenschlager als deutsche Erstaufführung in Düsseldorf. In: Aachener Volkszeitung, 28. November 1966.)

 

 

Kritiken

 
"Im Hause Stroux weht mit ´Hallo, Dolly´ Operettenluft. Es glitzert und vibriert in Mini-Revue um die schicksalstiftende geldsüchtige Dolly, für die das money in der umarmten Ladenkasse, an die sich die lustige Witwe heiratsselig herankuschelt, nur Mist ist, um junge Dinge wie die Liebe zum Wachsen zu ermutigen. So lautet´s im Song, der wie einige andere Verse in deutsch etwas umständlich im Text sind. Das ganze Ensemble des Schauspielhauses spielt nach Noten in den Kehlen, mal richtig, mal falsch mit unterschiedlichem Erfolg. Es ist, als wenn in einer nicht sonderlich musikalischen Klasse plötzlich alle Schüler Soli vortragen und noch dazu tanzen müssen. Aber es hat seinen Reiz, auch wenn solch Musical eigentlich vom Schmiß der Perfektion lebt. Da Jerry Hermans Melodien nicht ständig wie Raketen zünden, können auch Doldingers versierte Arrangements nicht pausenlos das Spiel hochtreiben. So hat der zweite Teil Längen und nicht mehr genügend Zucker - bis auf Dollys Treppenparade in langem Silbergeflimmer und im blau-weißen Enthüllungsdreß zu der Hauptnummer: nun bewundert mich mal!

Da macht sich Tatjana Iwanow an Marlene Dietrich heran. Keine billige Nachahmung in grauer Melone und Stock des von ihr gekirrten Kaufmanns. Tatjana Iwanow hat sich selbst entdeckt. Ihre Beine können sich neben Marlene sehen, ihre Songs sich beklatschen lassen. Es war ein Abend mit der Geburt eines Stars in einem Mangelgewerbe. Die Nachbarschaft zum Kom(m)ödchen hat eine Diva des Musicals gezeugt. Hallo Tatjana, einfach dolly! Es läßt sich lachen. Es läßt sich für Momente, für jenen Glücksmoment, mit dem Wolfgang Arps in Nickelbrille und viel Herz das Gericht besiegt, sogar aus dem Häuschen geraten."

Paul Hübner: Bei Ponnelle ist was los, Fröhliches Bravo mit Broadway-"Dolly" im Düsseldorfer Schauspielhaus. In: Rheinische Post, 28. November 1966.

 

"Jean-Pierre Ponnelle führte Regie und entwarf die Ausstattung. Er ist ein Mann von hoher visueller Begabung. Hier ließ er ihr freien Lauf: knallige Farben, phantasievolle Kulissen, reizvolle Prospekte, amüsante Kostüme. Schon das erste Bild mit New Yorker Leben und Treiben im Jugendstil provozierte prasselnden Beifall. Die Szenen wechseln schnell; geschickt werden Hutsalon und Restaurant, Krämerladen und Straßenprospekt ineinander und voreinander verschoben oder gedreht - dies alles ist die reine Freude.

Ponnelle legt auch von Anbeginn an Tempo vor. Er belebt die Szenerie mit turbulentem Leben und Treiben. Die Choreographie von Dick Price ist einfallsreich und spart nicht mit vielen hübschen Details. Das Auge frohlockt und das Ohr überhört gerne ein paar weniger perfekt gespielte Töne der sonst trefflichen Musiker unter der Leitung von Klaus Doldinger. Insgesamt auch lobenswert, wie die Protagonisten sich ins ungewohnte Handwerk des Musicals fanden. Nur, daß es bisher kaum zur deutschen Schauspielausbildung gehört, das merkte man denn doch. Schade, denn wieviel Spaß es allen macht, die sonst wenig Gelegenheit haben, so richtig aufzudrehen und ihre Lust am Artistischen zur Geltung zu bringen, war überaus spürbar. [...]

Der Beifall war stürmisch, geradezu eine Herausforderung an die Bühne, es bei diesem Experiment nicht zu belassen. Das Musical ist eine legitime Art, Freunde fürs Theater zu gewinnen. Es hat sie nötig."

Hans Schwab-Felisch: Neo-Nestroy vom Broadway, Ein Musical nach Wilders "Heiratsvermittlerin" in Düsseldorf. In: Süddeutsche Zeitung, 29. November 1966.

 

"Eigentlich hätte die deutsche Premiere am 11.11. um 11.11 Uhr stattfinden müssen. Aber auch am Abend des 26. hatte ein rheinisches Premierenpublikum nach zehn Minuten begriffen, daß im Düsseldorfer Schauspielhaus quasi des Hoppediz´ Erwachen gefeiert wurde: Anbruch des Karnevals. Szenenapplaus gab´s schon für den grotesken, ersten Chorauftritt. Szenenapplaus für die auf- und niederschwebenden, hin- und herfahrenden Dekorationen Jean-Pierre Ponnelles. ´Bravo´-Chöre, als die ersten Schlagerlieder ertönten. Nach einer Viertelstunde herrschte Euphorie diesseits und jenseits der Bühnenrampe. Jubel, Trubel, Heiterkeit hielten über eine kurze Durststrecke nach der Pause hinweg bis zum Schluß an. Es war ein Bombenerfolg. 

Alle Solorollen wurden von hauseigenen Schauspielern gespielt und - gesungen. Außer einem Orchester unter Klaus Doldinger war ein Musicalchor gebildet worden, der tanzen und singen konnte. Wie der Choreograph Dick Price mit ihm und den Solisten Tempo, Überrraschungseffekte und leicht erscheinende Präzision erzielte, das grenzt - auf einer deutschen Bühne! - ans Fabelhafte. Was von dem Pilskopf Price, was vom Regisseur Ponnelle ersonnen wurde, unmöglich läßt sich´s angesichts einer nahtlosen Gemeinschaftsleistung noch trennen. [...]

Der Stern des Abends heißt Tatjana Iwanow. Von Hilpert in Berlin, in Konstanz und Göttingen als Schauspielerin herangebildet, stand sie bei Stroux bisher in zweiter Linie. Als die ´Heiratsvermittlerin´ Mrs. Dolly hat die Iwanow nun die Rolle ihres Lebens gefunden - ein Musical-Star, der allein schon die Reise nach Düsseldorf wert gewesen wäre."

Johannes Jacobi: Jux bei Stroux. In: Die Zeit, 2. Dezember 1966.

 



Medien / Publikationen

 

Audio-Aufnahmen

  • "Hello, Dolly!". Cast Recording, Revival USA 1994. Varese Sarabande VSD-5557 (1xCD). 
  • "Hello Dolly". Deutsche Studio Einspielung, Deutsche Grammophon 1967, Spectrum 521 474-2 (1xCD).

 

Literatur

  • Thornton Wilder: Die Heiratsvermittlerin. In: Ders.: Stücke. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Herberth E. Herlitschka und Hans Sahl, Berlin (DDR): Volk und Welt 1982, Seite 155-247.

 

 

 

Kommentar


Die Vorlage des Musicals, Thornton Wilders Schauspiel "The Matchmaker" ["Die Heiratsvermittlerin"] (UA 1954), ist eine Neufassung von Wilders Schauspiel "The Merchant Of Yonkers" von 1938. Dieses wiederum geht auf die Posse "Einen Jux will er sich machen" von Johann Nestroy zurück (UA 1842), die auf dem Einakter "A Day Well Spent" des Briten John Oxenford basiert (UA 1834).

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Hallo, Dolly!" ("Hello, Dolly!). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 9. Februar 2021.