Die Bettwurst
Musical
Musik von Heiner Bomhard
Text von Rosa von Praunheim
Idee von Lutz Deisinger
Inszenierung
Uraufführung: 8. September 2022
Bar jeder Vernunft, Berlin, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Heiner Bomhard
- Regie: Rosa von Praunheim
- Ausstattung: Ingrid Buhrmann, Lara Scheuermann, Oliver Sechting
- Mitarbeit Ausstattung: Marcus Lachmann
- Regieassistenz: Felix Hertneck
Besetzung:
- Luzi: Anna Mateur
- Dietmar: Heiner Bomhard / Thaddaeus Maria Jungmann
- Chor: Lukas Baeskow, Thaddaeus Maria Jungmann, Nell Pietrzyk, Tobias Stemmer
Anna Mateur (Luzi), Heiner Bomhard (Dietmar)
© Bar jeder Vernunft / Foto: Barbara Braun |
Premierenchronik
D | UA | 8. September 2022 | Bar jeder Vernunft, Berlin |
Inhaltsangabe
"Die Liebesgeschichte zwischen der polnischstämmigen Kielerin Luzi und dem Mannheimer Dietmar nimmt nach einem vielversprechenden Anfang einen dramatischen Verlauf und mündet nach gefährlichen Verwicklungen schließlich in einem Happy End."
(Website: Bar jeder Vernunft, Programminformation, aufgerufen am 5. September 2022)
Anna Mateur (Luzi) © Bar jeder Vernunft / Foto: Barbara Braun |
Kritiken
"Der Titel ist verstörend, anregend, mysteriös, schlüpfrig - mit anderen Worten: genial: ´Die Bettwurst´ hieß der zweite Aufschlag von Rosa von Praunheim von 1971, parallel zu ´Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt´. Beide Filme katapultierten den Regisseur an die vorderste Front des schwulen Undergrounds, Grundsteine für eine Künstlerkarriere, die auch heute noch, mit 80 Jahren, nicht vorbei ist. [...]
Jetzt bricht Rosa von Praunheim nochmal zu neuen Ufern auf - mit seiner ersten Musicalinszenierung. Die Idee, die ´Bettwurst´ auf die Bühne zu bringen, stammt von Lutz Deisinger, dem künstlerischen Leiter der Bar jeder Vernunft. Über der zweiten Eigenproduktion des Hauses in diesem Jahr schwebt die Frage: Würde eine Transformation ins andere Genre ohne schmerzhafte Verluste gelingen?
So viel sei bereits gesagt - dass der Abend ein rauschender Erfolg wird, liegt vor allem an einem Mann: Heiner Bomhard."
Udo Badelt: Alle Wünsche frei, Rosa von Praunheims "Bettwurst" als Musical in der Bar jeder Vernunft. In: Der Tagesspiegel, 10. September 2022.
"Als jüngere Person muss man Kulturwissenschaften studiert haben, um ihn [den Film "Die Bettwurst"] noch zu kennen. Es handelt sich um eine Art halbschwule Variante von ´Angst essen Seele auf´. Eine ´Berliner Tunte´ verliebt sich in eine ältere Frau. Im Film war das die legendäre Luzie Kryn - Praunheims Tante -, die ihren schrillen, zweiten (oder dritten) Frühling feierte. Die Verklärung des Liebespaars findet singend im Himmel statt.
Die titelgebende Nackenrolle wiederum war im Film das phallische Zubehör einer sexuell aufgereizten, leicht lächerlichen Schlafzimmer-Possierlichkeit. Sie versinnbildlichte das Spießigwerden der sexuellen Revolution. Im Musical jetzt ist sie fast nur noch Selbstreferenz des damaligen Erfolgs. "Wir sind alle eine Bettwurst´, singt man etwas nebulös. [...]
Der Film war lustig als Pamphlet des Dilettantismus. Das Musical wird es, weil Anna Mateur in der Hauptrolle eine Bombe ist. Endlich tut mal jemand etwas für diese großartige Darstellerin. Schon bei ´Frau Luna´, damals in einer Nebenrolle, lehrte sie sämtliche Bühnenkollegen das Fürchten - wegen einer schier erschlagenden Bühnenpräsenz. Anna Mateur sieht aus wie die weibliche Mischung aus Ades Zabel und Divine (von John Waters). Passt super. Ihr Bühnenpartner Heiner Bomhard, der auch die Musik geschrieben hat, schüttelt seine Locken für sie. Ein Tanztrio umspringt die beiden und fungiert als antiker Chor. Bizarr.
Auf der kleinen Bühne ist nicht viel Platz. Ein Drehbühnenring wie bei einem Wetterhäuschen bringt die Darsteller in Schwung. Die Musik klingt wie Parlando-Schlager ohne wirklich tragfähige Melodien. Da die Handlung dünn bleibt, braucht man sie. Da sie selber auch dünn ist, sind die Titel ein bisschen kürzer. So stimmt´s wieder.
Den Film kennen muss man nicht. Viel mehr als Zielgruppenbespaßung wird trotzdem nicht daraus. Man realisiert, wie sich die Zeiten geändert haben. Die LGBTQ+-Bewegung hat den Blick erweitert. Hier bleibt´s nostalgisch, immerhin. Ein Geschenk, qietschrosa, zum bevorstehenden Jubiläum eines Altvorderer, der unsinkbarer erscheint denn je."
Kai Luehrs-Kaiser: "Die Bettwurst - Das Musical". rbbKultur, ausgestrahlt am 9. September 2022.
"Auch in der Musical-Fassung seines gleichnamigen Low-Budget-Films von 1971 reiht Regisseur Rosa von Praunheim Alltägliches und Absurdes aneinander und zelebriert die eigentümliche Handlung als trashige, revueartige Anarcho-Komödie. Wie im filmischen Vorbild agieren die Akteure bewusst laienhaft und überdreht. Dazu wird übertrieben exaltiert gesprochen und Sinnbefreites wie ´Immer wenn ein Hund dich leckt, dann schleck zurück´ gesungen.
Heiner Bomhard, der auch in der männlichen Hauptrolle auf der Bühne steht, hat die Musik dazu geschrieben. Die Songs sind häufig nur einstrophig, aber sehr eingängig und reichen von der Opernparodie bis hin zum finalen Bettwurst-Gospel. Dabei klingt vieles so, als sei es von Helge Schneider. [...]
Getragen wird die Show von den beiden exellenten Hauptdarstellern, die sich für nichts zu schade zu sein scheinen und sich mit viel körperlichem Einsatz, übertriebenen Gesten und guten Gesangsstimmen durch oft sinnbefreite Szenen und Songs blödeln. Als dralle Wuchtbrumme Luzi ist Anna Mateur eine Idealbesetzung und dominiert schon von ihrer Erscheinung her das Geschehen. Sie verfügt über eine grandiose, jazzige Soulstimme, mit der Mateur sowohl solistisch (´Hab keine Angst´), in Duetten (´Tanz in die Liebe´) und Ensemblenummern (´Die Bettwurst´) glänzt. [...]
Vulgär, obszön und trashig: Bei der Bettwurst-Musicalfassung geht im wahrsten Sinne des Wortes die Luzi ab. Wer sich darauf einlässst, der hat auf jeden Fall einen vergnüglichen Abend."
Kai Wulfes: Die Bettwurst - Das Musical, Kurios - der Spaß ist groß!. In: Online-Portal "musicalzentrale.de", ohne Datum, aufgerufen am 1. Oktober 2022.
Heiner Bomhard (Dietmar) © Bar jeder Vernunft / Foto: Barbara Braun |
Medien / Publikationen
DVD / Video
- "Die Bettwurst" / "Die Berliner Bettwurst". Zwei Filme von Rosa von Praunheim (1971, 1973), absolut medien 2004. (1xDVD)
Literatur
- Rosa von Praunheim: 50 Jahre pervers, Die sentimentalen Erinnerungen des Rosa von Praunheim. Köln: Kiepenheuer und Witsch 1993.
- Rosa von Praunheim: Die Bettwurst und meine Tante. [Berlin]: Rosa-von-Praunheim.Filmverleih 2006.
Kommentar
Bei der Filmvorlage des Musicals "Die Bettwurst" handelt es sich um einen gleichnamigen TV-Spielfilm von 78 Minuten Länge.
Rosa von Praunheim wurde von der Deutschen Musical Akademie für den DMA-Award 2023 in der Kategorie "Beste Liedtexte" nominiert.
Empfohlene Zitierweise
"Die Bettwurst". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 18. September 2023.