Candide [Weimar]
Opera-House-Version
Musik von Leonard Bernstein
Buch von Hugh Wheeler nach Voltaire
Gesangstext von Richard Wilbur mit zusätzlichem Libretto von Stephen Sondheim und John La Touche
Deutsche Fassung von Johannes Felsenstein
Instrumentation durch Leonard Bernstein und Herbert Kay
Musikalische Leitung und zusätzliche Instrumentation durch John Mauceri
Vorbereitung des Musikmaterials durch Mathilde Pincus
Inszenierung
DDR-Erstaufführung: 11. Juni 1986
Deutsches Nationaltheater, Weimar, DDR
- Regie und Bühnenbild: Johannes Felsenstein
- Musikalische Leitung: Jörg Krüger
- Musikalische Einstudierung: Hans-Peter Jannoch / Stefan Knoth / André Kassel / Hans-Christian Steinhöfel
- Kostüme: Waltraud Lindner
- Choreographie: Enno Markwart
- Chöre: Matthias Brauer
Besetzung:
- Voltaire: Fred Diesko
- Dr. Pangloss / Der Erleuchtete: Johannes Pirkno
- Candide: Bernhard Görn
- Kunigunde: Silona Michel
- Maximilian: Michael Junge
- Paquette: Lia Mühlhaus
- Die Alte: Sneshinka Awramowa
- Gouverneur / Columbus-Denkmal / 3. Spieler: Peter Slawow
- Baron / Löwe / 4. Spieler: Herbert Dudzik
- Baronin / 1. Hammel: Marianne Epheser
- 2. Hammel: Regina De Reese
- Großinquisitor / Stimme des Moloch: Ernst Schmidt
- Padre Bernhard / 2. Spieler: Lothar Heublein
- Familiar der Inquisition / 1. Richter: Christoph von Kloch
- 2. Richter: Hans Kartheuser
- 3. Richter: Klaus Sieland
- Diener Maximilians / Diener Candides / Matrose / Adjutant des Gouverneurs: Michael Dassler
- Jude: Karl-Heinz Gruhn
- Bauer: Hartmut Struppek
- Zwei bulgarische Soldaten: Klaus Graef / Burghard Rysch
- Zwei westphälische Soldaten: Hans-Martin Fett / Klaus Sieland
- Vier spanische Dons: Hans Kartheuser / Christian Hultsch / Burghard Rysch / Horst Magin
- Zwei tanzende Engel / Zwei stumme Diener / Zwei Folterknechte: Andrea Römer / Gabriele Struch
- Zwei Huren: Evelyn Richter-Rademacher / Charlotte Siegler
- Opernchor / Ballettensemble / Damen und Herren der Statisterie und des Extrachores des DNT
- Weimarische Staatskapelle
Premierenchronik
USA | UA | 18. Dezember 1973 | Chelsea Theatre Center of Brooklyn, New York |
A | Dspr. EA | 5. August 1976 | Stadthalle, Wien |
D | EA | 27. März 1982 | Theater im Kelter, Heilbronn |
DDR | EA | 11. Juni 1986 | Deutsches Nationaltheater, Weimar |
Inhaltsangabe
"Candide, der gutgläubige Jüngling, der illegitime Sproß der Schwester des westfälischen Barons Thunder ten Tronck, wird vom Schloss verjagt, weil er die physikalischen Experimente, die sein Lehrer Pangloss mit der Zofe Panquette betrieb, mit der Tochter des Hauses, Kunigunde, nachmachen wollte. Candide erlebt die furchtbarsten Abenteuer, wird verschleppt und eingesperrt, beinahe von der Inquisition verbrannt, gerät in den südamerikanischen Urwald und nach Konstantinopel. Auch Kunigunde muß viel erdulden, bis Candide die Geliebte aus einem Harem freikaufen kann. Er heiratet sie mit einigem Widerwillen, denn inzwischen ist sie alt und verbraucht. Immer wieder aber tritt zwischen den Abenteuern unseres Helden Pangloss in Erscheinung und beweist, wie gut und sinnvoll alles sei, denn wer weiß, wie viel schlimmer es hätte kommen können, wenn es nicht so gekommen wäre. Am Ende wird Candide mit einer anderen Weisheit bekannt, die das Leben erträglich macht und vor Langeweile, Laster und Sorgen bewahrt: ´Wir müssen unseren Garten bebauen´."
(Lothar Sträter: "´Wir müssen unseren Garten bebauen´, Leonard Bernsteins Musical ´Candide´nach Voltaire in Wien für Europa erstaufgeführt. In: Mannheimer Morgen, 7. August 1976)
Kritiken
"Die opulent ausgestattete Aufführung (Bühnenbild: Johannes Felsenstein, Kostüme: Waltraud Lindner) beginnt dann auch ganz spritzig: Felsenstein nutzt die von der Staatskapelle unter Jörg Krüger virtuos dargebotene Ouverture, um seine Hauptdarsteller witzig-tänzerisch einzuführen, schon hier funktioniert das Bühnenbild, das das Oberteil einer drehbaren Weltkugel vor einer de Chirico nachempfundenen fantastischen Landschaft zeigt, sehr hübsch. Der Erzähler sitzt in einem bequemen Stuhl links zur Seite der Bühne - Fred Diesko entledigt sich der nicht sehr dankbaren Aufgabe fast bis zum Schluß das Geschehen kommentieren zu müssen, durchaus geschickt, ohne einige Längen des redseligen Textes wettmachen zu können. [...] In den zahlreichen weiteren Rollen erlebt man durchweg vortreffliche Mitglieder des Weimarer Ensembles.
Dennoch gerät der Spaß im Laufe des langen Abends ins Stocken. Die Musik verleugnet kaum die dreißig Jahre, die über sie hinweggegangen sind - die große Klanggebärde stimmt nicht immer zu dem burlesken Anlaß, und viele der Musiknummern sind einfach zu lang.
[...] Vielleicht ist die mehr und mehr aufkommende Langeweile auch der Tatsache geschuldet, daß Felsenstein die kunterbunte, vielbildrige Geschichte eigentlich sehr bieder erzählt - obwohl er sie gleich von Anfang an bewußt durch körperliche Liebesszenen in ungewöhnlicher Häufung zu würzen versucht. Da dies natürlich nur in der auf gesitteten Bühnen gewohnten Stilisierung geschehen kann, wird daraus mehr oder weniger ein Bodenturnen, dem man nur noch unter gymnastischen Aspekten Beachtung schenkt, selbst meine würdigen eingesessenen Parkettnachbarn, die zunächst gehörigen Anstoß nahmen, hielten schließlich nicht einmal mehr die Hand vor den Mund."
Klaus Thiel: Stockender Spaß. DDR-Erstaufführung von Leonard Bernsteins "Candide" im Deutschen Nationaltheater Weimar. In: Theater der Zeit, Heft 8/1986, Seite 45-56.
"Das Bravo besiegt das Buh, der Applaus kämpfte die Pfiffe nieder. In der Weimarer Publikumsresonanz auf die europäische Erstaufführung von Leonard Bernsteins 1982 in New York kreierter Opera House Version seines 'Candide' gab es längst nicht die spektakuläre Zwiespältigkeit, wie sie sich unlängst bei Harry Kupfers eigenwilliger Berliner Deutung der 'Lustigen Witwe' kundtat. Aber völlig ohne Widerspruch wurden Bearbeitung und Inszenierung von Johannes Felsenstein und die darin verkündeten philopsophischen Maximen Voltaires denn doch nicht hingenommen.
[...] Diese Reise um die Welt in 180 Minuten ist ohne Zweifel ein Theaterereignis von Rang, Verdienst der dafür aus Schauspiel und Oper eingesetzten Kräfte des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Hier hat Johannes Felsenstein (Jahrgang 1944) nun seine bisher problemreichste Gastinszenierung geschaffen, insofern eben doch im besten Sinne 'musicalisch', weil er Musik und Tanz, Wort und Ton, Bild und Bewegung allround gebraucht.
[...] 'Candide' ist nicht landläufige musikalische Abendunterhaltung und hat eine holprige Werkgeschichte durchlaufen, ehe sie in den USA zum durchschlagenden Erfolg wurde."
Georgt Antosch: Fabulöse Odyssee zu einer vollkommenen Welt. Leonard Bernsteins Musical "Candide" in Weimar. In: Neue Zeit, Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, Nr. 149, 26. Juni 1986, Seite 4.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "Candide". Final revised version, 1989, Studio-Einspielung mit dem London Symphony Orchestra im Dezember 1989, Dirigent: Leonard Bernstein, 2003 bei Deutsche Grammophon 474 472.2 (2xCD).
Literatur
- Voltaire: "Candide oder Der Optimismus. Aus dem Deutschen übersetzt von Herrn Doktor Ralph samt den Bemerkungen, die man in der Tasche des Doktors fand, als er zu Minden im Jahre des heils 1759 starb." Aus dem Französischen von Stephan Hermlin, Leipzig: Reclam 2001.
- Andreas Jaensch: "´Candide´ - eine unendliche Geschichte". In: Ders.: "Leonard Bernsteins Musiktheater, Auf dem Weg zu einer amerikanischen Oper". Kassel u.a.: Bärenreiter 2003, Seite 101-141.
Kommentar
"Candide" wurde nach seiner Uraufführung am 1. Dezember 1956 mehrfachen Überarbeitungen unterzogen, was sich unmittelbar in der Zusammenstellung der Autoren bemerkbar macht. Es gibt daher von jeder Fassung eine eigene Uraufführung.
Die Wiener Produktion war gleichzeitig die Europäische Erstaufführung der 1973er-Fassung.
Für die Erstaufführung in der DDR erstellte Johannes Felsenstein eine eigene Übersetzung.
Empfohlene Zitierweise
"Candide [Weimar]". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 20. Februar 2025.