La Cage aux Folles (Ein Käfig voller Narren)
Musical in zwei Akten
Musik und Gesangstexte von Jerry Herman
Buch von Harvey Fierstein nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Jean Poiret
Deutsch von Erika Gesell und Christian Severin
Inszenierung
Deutschsprachige Erstaufführung: 27. Oktober 1985
Theater des Westens, Berlin, Bundesrepublik Deutschland
- Regie und Choreografie: Helmut Baumann, Jürg Burth
- Musikalische Leitung: Rolf Kühn
- Bühnenbild: Manfred Dittrich
- Kostüme: Uta Loher
- Lighting Design: Markus Miesch
- Choreinstudierung und Dirigent: Ludwig de Ridder
Besetzung:
- Albin / Zaza: Helmut Baumann
- Georges: Günter König
- Jean-Michel: Steve Barton / Cusch Jung
- Jacqueline: Beate Hasenau
- Edouard Dindon: Robert Dietl
- Mme. Dindon: Monica Solem
- Anne Dindon: Sylvia Wintergrün / Denny Berry
- Francis: Martin Pichler
- Jacob: Eric Lee Johnson
Les Cagelles:
- Chantal: F. Dion Davis
- Phädra: Jeffry Judson
- Mercedes: Lauren Eager
- Hanna von Hamburg: Albert van Nierop
- Derma: Calvann Cole
- Alexandra: Judy Pyanowski
- Lo Singh: Timothy Golliher
- Loreley: Sabine Streit
- Nicole: John Scott
- Alice: Julia Timmons
- Monique: Ulrich Pollack
- Lola: Ina Retzbach
- Bitelle: Joao Dumont
- Odette: Pascale Camele
- Clo-Clo: Janet Calvert
- "Tarzan": Per Mørkeberg
- Mme. Renaud: Renate Pavlicek / Ute Gabriel
- M. Renaud: Günter Gützaff / Ulrich Kilian
Premierenchronik
USA | UA | 21. August 1983 | Palace Theatre, New York |
D | Dspr. EA | 27. Oktober 1985 | Theater des Westens, Berlin |
GB | EA | 21. Mai 1986 | Palladium Theatre, London |
CH | EA | 19. Dezember 1987 | Opernhaus, Zürich |
A | EA | 3. August 1989 | Johann-Pölz-Halle, Amstetten (Musicalsommer) |
Inhaltsangabe
Die Schauplätze der Handlung sind der Cote-d Azur-Nightclub "La Cage aux folles" und eine Wohnung hinter der Bühne, in der Georges, der Besitzer des Clubs, und Albin, der Star der Revue, seit zwei Jahrzehnten in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenleben. Georges hat einen Sohn, Jean-Michel, Frucht eines alkoholisierten Fehltritts mit einer Frau, in die Verbindung eingebracht; und Albin hat ihn mit der ganzen liebevollen Fürsorglichkeit, die eine Mutter aufzubringen vermag, großgezogen.
Die Idylle wird jedoch jäh unterbrochen, als der Junge nach Hause kommt und erklärt, dass er die Liebe seines Lebens getroffen habe: Anne. Man wolle heiraten und die jeweiligen Eltern müssten sich kennenlernen. Anne ist jedoch die Tochter des konservativen Politikers Edouard Dindons, der mit seinen bigotten Kampagnen für Tradition, Familie und Moral Wählerstimmen gewinnen und Karriere machen will. Es ist zu befürchten, dass er sich gegen die Ehe ausspricht, wenn er Jean-Michels schwules Elternhaus kennenlernt. Verzweifelt bittet der angehende Bräutigam Albin, für einen Tag zu verschwinden. Die richtige Mutter müsse stattdessen kommen. Diese sagt jedoch kurzfristig ab, so dass Albin, der sich gerade mühsam auf die Rolle eines "Onkel Alberts" vorbereitet hat, nun in die Rolle der Mutter schlüpft.
Dennoch bleibt die Konservation mit den Dindons mühsam, zumal sie misstrauisch werden. Zum Essen geht man in ein elegantes Lokal, dessen Wirtin Albin kennt und ihn bittet, für die Gäste ein Chanson vorzutragen. Am Ende des Liedes nimmt sich Albin - wie immer am Ende ihrer Auftritte - die Perücke ab. Die Dindons sind geschockt. Doch Anne, bislang ganz schüchternes Mädchen, bekennt sich zu Jean-Michel; die menschlichen Qualitäten sind ihr wichtiger als die moralische Enge ihrer Eltern.
(Wolfgang Jansen)
Kritiken
"Glitter und Flitter hat man in Berlin auf ein Mindestmaß reduziert, ganz bewußt gibt es keine überladene Transvestitenrevue zu sehen. Der Regisseur Baumann hat eine Komödie inszeniert, in der aber die Menschen mit ihren Gefühlen bei aller Schminke sichtbar bleiben. Und wenn Herr Baumann ´Ich bin, wie ich bin´ interpretiert, dann lacht da keiner mehr. Da ist es ganz still im Theater und ein jeder kann mit Albin fühlen. Keine schrille Tunte steht da auf der Bühne, sondern einfach ein Mensch. Neben dem virtuosen Helmut Baumann zu bestehen ist kein Leichtes. Aber Berlin hat auch für die weiteren Rollen vortreffliche Besetzungen. [...]
Daß Jerry Hermans Melodien flott und schwungvoll ins Ohr gehen, dafür sorgt Rolf Kühn mit dem ausgezeichnet spielenden Orchester."
Gerhard Knopf: A Star is born - "La Cage aux Folles" im Theater des Westens in Berlin. In: Das Musical, Heft 1, Oktober 1986, Seite 24.
"Am Schluß kommt schier die Decke des schönen, alten Theaterschuppens in der Kantstraße herunter. Die Kronleuchter wackeln. Das Publikum ist außer Rand und Band. Frenetischer Beifall, Johlen, Trampeln und Schreie des Entzückens sind zu hören. Es ist, als hätte die leichte Muse des pfiffigen Musicals das pompöse Haus endlich wieder laut geküßt. Das Theater des Westens wackelt schier selig in seinen Grundfesten.
Ähnliches hatte man, auch seit Professor Götz Friedrich zusammen mit Helmut Baumann den ehrwürdigen Freudenschuppen übernommen hatten, vorher nie vernommen. Um was geht es? Um die deutsche Erstaufführung des Musicals ´La Cage aus folles", um den ´Narrenkäfig´. [...]
Aber das freimütige Musical mit seiner doch eher fragwürdigen Thematik wird nun so flott, selbstbewußt, so freiweg unheikel und schier tobend lustig dargeboten, daß man auch als durchaus normaler Zuschauer aus dem Vergnügen und aus der satten Schaulust nicht herauskommt."
Friedrich Luft: Diesmal küßt die Muse stürmisch, Theaterdes Westens: Bombenerfolg mit dem "Käfig voller Narren". In: Berliner Morgenpost, 29. Oktober 1985.
"Helmut Baumann ist der Glücksfall einer dritten Besetzung in letzter Minute, nachdem zwei Schauspieler nacheinander absagen mußten. Zehn Tage vor der Premiere sprang Baumann (Co-Regisseur und Choreograph mit Jürg Burth) dann in seiner Not selber in die Pumps, und alle Welt fragte sich: Warum hat er das nicht gleich getan?
So sicher das Stück auf Publikums-Akzeptanz geeicht scheint, so trickreich ist es auch: Es wandelt nämlich halsbrecherisch zwischen Posse zum Gröhlen und sentimentaler Reflektion über das Altwerden außerhalb bürgerlicher Normen, wobei der Wunsch, ganz bürgerlich von Mann zu Mann glücklich zu werden, dominiert. So hat es Autor Fierstein auch in seinen eigenen Stücken (wie ´Torch Song Trilogy´, deutsche Premiere Ende November in Düsseldorf) immer gewollt: Bei aller Grellheit, bei aller verzweifelten Outriertheit, bei all dem exzessiven Lebensstil im aufgezwängten Getto sehnen sich (seiner Meinung nach) Homosexuelle nach nichts mehr als ein bißchen Glück, ein wenig Wärme, etwas Geborgenheit - genau wie die nicht immer tolerant schweigende Mehrheit. So schön konventionell kam die Botschaft auch in Berlin über die Rampe; gerade jetzt in der Zeit unqualifizierter AIDS-Hysterie kein schlechtes Signal ans Bürgertum".
Barry Garves: Verliebte Narren, "La Cage Aux Folles" von Jerry Herman und Harvey Fierstein im Theater des Westens. In: tip, 14. November 1985.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "La Cage aux folles", The Broadway Musical, Original Cast Recording, USA 1983, Studio-Einspielung, RCA Records BD84824. (Vinyl, 1xLP)
- "La Cage aux Folles" ("Ein Käfig voller Narren"), Original-Aufnahme aus dem Theater des Westens, Deutsche Grammophon Hamburg 1986, Polydor 829 646-2. (1xCD)
- "La Cage aux Folles" ("Ein Käfig voller Narren"), Originalaufnahme der Wiener Volksoper, Studioeinspielung 1993, Reverso 660803. (1xCD)
Video / DVD
- "Ein Käfig voller Narren". Spielfilm, Regie: Edouard Molinaro, Musik: Ennio Morricone, 1978, MGM Home Entertainment. (1xDVD)
Literatur
- Jürgen Draeger: Ein Käfig voller Narren, Trilogie der Masken III. Teil, Zyklus La Cage aux Folles. Heidelberg: Braus 1986.
- Wolfgang Jansen: Geschäfte, Stars und Musicals, Das Theater des Westens in den Jahren 1961 bis 1996. In: 100 Jahre Theater des Westens, 1896-1996. Hrsg.: Theater des Westens, Berlin: Propyläen 1996, Seite 253-324.
Kommentar
Es kursieren zwei weitere Premierentermine: 19. und 23. Oktober. Sie waren angesetzt, wurden aber aufgrund der Umbesetzung von Albin verschoben.
Die Erstaufführung im Opernhaus Zürich war ein Gastspiel des Theater des Westens.
Die Vorlage des Musicals, das Schauspiel von Jean Poiret, ist im deutschen Buchhandel nicht erschienen.
Empfohlene Zitierweise
"La Cage aux Folles" ("Ein Käfig voller Narren"). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 10. Mai 2023.