The Book Of Mormon [Zürich]
Musical
Book, Music and Lyrics von Trey Parker, Robert Lopez und Matt Stone
Inszenierung
Schweizer Erstaufführung (in Engl.): 10. Dezember 2019
Theater 11, Zürich, Schjweiz
- Musikalische Leitung: Colm O'Regan
- Regie: Casey Nicholaw, Trey Parker
- Bühnenbild: Scott Pask
- Kostüme: Ann Roth
- Licht: Brian Mac Devitt
- Ton: Brian Ronan
- Choreographie: Casey Nicholaw
Besetzung:
- Moroni / Elder McKinles: Will Hawksworth
- Elder Price: Kevin Clay
- Elder Cunningham: Conner Peirson
- Prices's Dad / Joseph Smith / Mission President: Jonathan Tweedie
- Mrs. Brown: M-Jae Cleopatra Isaac
- Guards: Jemal Felix, Lukin Simmonds
- Mufala Hatimbi: Ewen Cummins
- Nabulungi: Nicole-Lily Baisden
- General: Thomas Vernal
- Doctor: Tre Copeland-Williams
- Ensemble: Jed Berry, Melissa Brown-Taylor, Chinasa, George Crawford, Jordan Lee Davies, Isaac Hesketh, Alex James-Hatton, Fergal McGoff, Lukin Simmonds, Chomba S. Taulo, Sharon Wattis
Premierenchronik
USA | UA | 24. März 2011 | Eugene O'Neill Theatre, New York |
GB | EA | 21. März 2013 | Prince of Wales Theatre, London |
D | EA (i.Engl.) | 7. November 2019 | Musical Dome, Köln |
CH | EA (i. Engl.) | 10. Dezember 2019 | Thaeter 11, Zürich |
Die britische Erstaufführung war zugleich die Europäische Erstaufführung. Die deutsche und schweizer Erstaufführung war ein Gastspiel im Rahmen einer UK- und Europatournee.
Photo by Paul Coltas
Inhaltsangabe
"Prolog: Vor langer, langer Zeit im heutigen US-Bundesstaat New York...
Wir erfahren, dass ein jüdischer Prophet namens Mormon die Geschichte seines Volkes auf goldenen Tafeln niederschrieb und sie seinem Sohn Moroni gab, der sie vergrub. 1823 werden diese Tafeln von Joseph Smith wiederentdeckt, der dies zum Anlass nimmt, eine neue Religionsgemeinschaft zu gründen, deren Mitgliederzahl seither rasant wächst.
1. Akt. Trainingszentrum der Missionare und Flughafen, Salt Lake City, Utah, heute.
Im Trainingszentrum der Missionare in Salt Lake City üben die jungen Mormonen für ihre anstehende Missionstätigkeit. Der streberhafte Elder Price demonstriert seinen Studienkollegen die richtige Klingeltechnik (Hello!). Nur der übereifrige Elder Cunningham hat Schwierigkeiten mit der korrekten Begrüßung. Voller Spannung erwarten alle die Entscheidung, in welchem Land und mit wem zusammen sie missionieren werden. Elder Price betet insgeheim darum, nach Orlando, Florida, zu gehen. Doch zu seiner großen Enttäuschung wird er zusammen mit Elder Cunningam nach Uganda geschickt (Two by Two).
Elder Price und Elder Cunningham verabschieden sich am Flughafen von ihren Familien. Elder Price ist hoch motiviert und sieht sich zu Außergewöhnlichem bestimmt. Elder Cunningham hingegen ist einfach froh, nun endlich einen besten Freund an seiner Seite zu haben. Zusammen wollen sie die Welt verändern (You and me [but mostly me]).
Kitguli, ein kleines Dorf im nördlichen Uganda.
Gleich nach ihrer Ankunft werden Elder Price und Elder Cunningham von bewaffneten Milizen überfallen und ausgeraubt. Ihr einheimischer Kontaktmann Mafala Hatimbi erklärt ihnen, wie die Ungander ihren von Krankheit und Gewalt geprägten Alltag bewältigen: Sie verschaffen sich Erleichterung, indem sie Gott beschimpfen (Hasa Diga Eebowai). Mafalas Tochter Nabulungi bringt die beiden irritierten Mormonen zu ihrer Unterkunft, wo sie die anderen Missionare treffen. Schockiert müssen sie feststellen, dass es diesen bisher nicht gelungen ist, auch nur einen einzigen Dorfbewohner zu bekehren. Elder McKinnley, der Anführer der Missionare, legt den beiden Neuankömmlingen eine besondere Bewältigungsstrategie ans Herz: negative Gedanken und Gefühle einfach ausschalten (Turn it off)! Völlig erschöpft fallen Elder Price und Elder Cunningham abends ins Bett (I am here for you).
Am nächsten Tag machen sie sich voller Energie und Tatendrang daran, die Dorfbewohner zu missionieren. Doch wie soll das gelingen, wenn die Hütten im Dorf nicht einmal eine Türklingel haben? Also erzählt Elder Price sehr anschaulich die Geschichte des Mormonen-Religionsgründers Joseph Smith (All-American Prophet). Die Dorfbewohner aber bleiben unbeeindruckt von den Versprechungen der Missionare. Dann gesteht Elder Cunningham auch noch, dass er das Buch Mormon noch nie gelesen hat - es war ihm zu langweilig.
Plötzlich kommt der örtliche War-Lord (genannt der General) ins Dorf und verlangt die Beschneidung aller weiblichen Dorfbewohner. Mafala bringt seine Tochter Nabulungi noch rechtzeitig in Sicherheit. Alleine in ihrem Zimmer beginnt Nabulungi von jenem besseren Leben in der Heimatstadt der Mormonen zu träumen, dass die Missionare ihr beschrieben haben (Sal Tlay Ka Siti). In der Missionsunterkunft sind währenddessen alle in heller Aufregung. Der Missionspräsident hat einen Bericht über die Fortschritte angefragt - doch die Missionare haben bislang noch niemanden getauft! Schlimmer noch: Nachdem Elder Price Zeuge eines kaltblütigen Mordes wurde, hat er endgültig genug. Er will nur noch weg aus Afrika. Elder Cunningham versucht ihn noch aufzuhalten, doch ohne Erfolg. Traurig und allein bleibt Elder Cunningham zurück - da trifft er Nabulungi. Sie erzählt ihm, dass sie die übrigen Bewohner überzeugen konnte, den Mormonen nun endlich richtig zuzuhören. Elder Cunningham schöpft neues Selbstvertrauen (Man up).
2. Akt. Zurück in altertümlicher Zeit, im heutigen US-Bundesstaat New York.
Joseph Smith hat soeben in seinem Garten die goldenen Tafeln entdeckt, die zur Grundlage für das Buch Mormon werden - doch wovon handelt das Buch Mormon eigentlich?
Zurück im heutigen Uganda
Die Erklärungsversuche zu genau dieser Frage bringen Elder Cunningham in die Bredouille: er hat das Buch nie gelesen und seine Zuhörer wirken zunehmend gelangweilt - hat doch das Buch Mormon so gar nichts mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun. Um seine Zuhörer bei der Stange zu halten, lässt Elder Cunningham ihre Alltagssorgen zusammen mit allerlei Geschichten aus Science-Fiction- und Fantasy-Filmen in den heiligen Text einfließen (Making things up again). Und oh Wunder: es funktioniert. Sein Publikum lauscht wie gebannt und die Menschen schöpfen Hoffnung. Doch Elder Cunningham quälen Schuldgefühle durch seine Lügen.
Auch Elder Price hat ein schlechtes Gewissen, das ihm einen schrecklichen Alptraum beschert, während er erschöpft an der Bushaltestelle einschläft: anstatt in Orlando landet er geradewegs in der Hölle und muss sich von Jesus, Satan, Hitler und Dschingis Khan anhören, was für ein schlechter Missionspartner er ist (Spooky Mormon Hell Dream). Das sitzt! Nach dem Aufwachen entschließt er sich, doch in Uganda zu bleiben. Elder Cunningham berichtet unterdessen von seinem Erfolg. Er hat die Dorfbewohner bekehrt! Die übrigen Missionare schöpfen neue Hoffnung. Doch noch ist die Gefahr durch den mörderischen General nicht gebannt. Von neuem Missionarseifer erfüllt beschließt Elder Price diesen aufzusuchen und ebenfalls zum mormonischen Glauben zu bekehren (I believe). Das geht jedoch völlig schief.
Nabulungi lässt sich von Elder Cunningham taufen (Baptize Me) und die übrigen Dorfbewohner folgen ihrem Beispiel. Die Mormonen-Missionare fühlen sich nun mit dem ehemals fremden Kontinent sehr vertraut (I am Africa).
Währenddessen erholt sich der mittlerweile völlig desillusionierte Elder Price von seinem Zusammentreffen mit dem General. Er hat doch alles immer nur richtig machen wollen und war einst der Star unter den Jung-Missionaren - doch jetzt soll Elder Cunningham für seine Verdienste sogar eine Medaille vom Missionspräsidenten erhalten! Elder Cunningham überredet den mürrischen Elder Price, den Schein beim anstehenden Besuch des Missionspräsidenten dennoch zu wahren. Zu Ehren dieses Besuchs führen die frisch getauften Dorfbewohner die Geschichte von Joseph Smith auf - dabei wird allerdings klar, dass ihnen Elder Cunningham eine völlig verdrehte Version der Mormonen-Religion vermittelt hat (Joseph Smith American Moses). Der Míssionspräsident ist außer sich und will die Missionsstation sofort schließen.
Die Dorfbewohner, allen voran Nabulungi, sind zutiefst verletzt, als sie von Elder Cunninghams Lügen erfahren. Elder Price und Elder Cunningham erkennen jedoch, dass es den Dorfbewohnern trotz allem mit ihrer Aufführung gelungen ist, ihre Ängste und Sorgen zu vergessen. Um ihr Vertrauen wieder zu gewinnen, begeben sich Elder Privce und Elder Cunningham auf eine letzte Mission: Gemeinsam stellen sie sich unerschrocken gegen den General, um das Dorf zu retten. Und es gelingt! Nach diesem Erfolg beschließen die Mormonen-Missionare und die Dorfbewohner, diesen Ort zu ihrem neuen Paradies zu machen, mit ihrer eigenen Version der Mormonen-Religion - schließlich sind sie nun alle "Heilige der Letzten Tage" (Tomorrow Is a Latter Day)!"
(Programmheft-Beilage der BB Promotion zur deutschen Erstaufführung)
Photo by Paul Coltas
Kritiken
"Würde Theodor W. Adorno in diesen Wintertagen einen abendlichen Besuch im Theater 11 in Zürich Oerlikon wagen, träfe er in der Vorstellung des Musicals 'The Book of Mormon' gerade das an, was er in seinen kulturtheoretischen Schriften abgelehnt hat: ein Werk der amerikanisch geprägten Unterhaltungsindustrie. Diese will die Zuschauer laut Adorno bloss einlullen und mit sinnlichem Blendwerk betäuben, weshalb die Kultur, die sie hervorbringe, jeden emanzipatorischen Anspruch vermissen lasse. Für den Philosophen trägt künstlerische Tätigkeit, die einer marktwirtschaftlichen Logik verpflichtet ist, im Gegenteil dazu bei, dass die bestehenden Herrschaftsverhältnisse gefestigt werden.
[...] Von inhaltsfreier Spassbewirtschaftung mag man im Zusammenhang mit Gölä sprechen. 'The Book of Mormon' spielt da in einer anderen Kategorie, enthält es doch eine klare Botschaft: Jeder Fundamentalismus ist falsch, jede Doktrin, jede Religionsdoktrin verfehlt. Denn sie sind – werden sie rigoros durchgesetzt – letztlich menschenfeindlich. Wer meint, er könne aus Ugandern weisse Kurzarmhemdmormonen machen, wie sie den Alltag von Salt Lake City prägen, begeht die Sünde der Hybris.
Das Musical leistet also gerade das, was Adorno stets von echter Kultur gefordert hat. Es legt Herrschafts- und Machtverhältnisse bloss, es kritisiert diese und ruft zur Selbstbestimmung der Menschen auf. Folglich leistet es das, was wahre Kunst sollte, nämlich das emanzipatorische Potenzial der Zuschauer zu fördern.
Es tut dies allerdings mit unterhaltsamen Mitteln – aus Sicht des elitären Philosophen eine Todsünde. Hätte er sich das Musical dennoch angeschaut, müsste er sich eigentlich nachher beim Einsteigen ins Tram 11 unwillig, aber anerkennend eingestehen: Eigentlich illustrierte der Abend das, was ich stets gesagt habe. Es gibt kein richtiges Leben im falschen."
Felix Müller: Schramm: Mormonen können auch lustig sein. Zwei junge Männer aus Salt Lake City versuchen, arme Ugander für den richtigen Glauben zu gewinnen: Das Erfolgsmusical 'The Book of Mormon", das zurzeit in Zürich gastiert, bietet beste Unterhaltung. Und vermittelt dazu eine klare Botschaft. In: Neue Zürcher Zeitung, 16. dezember 2019.
"Das Musical 'The Book of Mormon' von den Machern der Fernsehserie 'South Park' ist böse, derb, frech, grenzwertig und schlachtet gleich eine ganze Herde heiliger Kühe. Aber, es ist ein Musical. Uraufgeführt wurde es 2011 am Broadway. Es wird gesungen, getanzt, es ist beschwingt, und trotz aller Boshaftigkeit verliert es nie die Leichtigkeit.
Es setzt aber einiges voraus: Das Stück ist in Englisch gehalten, wird rasant erzählt, und es braucht einen zumindest schwarz angefärbten Humor, sonst wird man oft vor Empörung die Augen verdrehen. Auch darf man das Spiel mit den Stereotypen nicht falsch verstehen, weil man sie sonst leicht als Rassismus deutet.
[...] Das Ensemble ist grossartig (besonderes Lob an Nicole-Lily Baisden als Nabulungi). Die Kostüme und Kulissen ebenfalls. Musikalisch und gesanglich bleiben keine Wünsche offen, und spätestens nach der Pause ist 'The Book of Mormon' sehr gute Unterhaltung. Diesen Mormonen öffnet man jederzeit die Tür. Ding Dong."
Michael Graber: Dieses Musical schlachtet eine ganze Herde heiliger Kühe.Das amerikanische Musical "The Book of Mormon" gastiert in Zürich. Es ist böse, derb und sehr gute Unterhaltung. In: St. Galler Tagblatt, 12. Dezember 2019.
"Bitterböser Humor, grossartige Unterhaltung – und am Ende eine Versöhnung mit Glaube und Religion: Das Broadway-Musical 'Book of Mormon' begeistert nun auch in Zürich. [...] Sie machen es den Satirikern aber auch einfach: Die Geschichte der Mormonen – auch Latterday Saints (LDS) genannt – ist so schräg, dass es nicht mehr viel Überspitzung braucht.
[...] Trotz dieses versöhnlichen Endes: Die Mormonen oder Latterday Saints (LDS) kommen nicht nur gut weg im Musical. Statt sich gegen die Aufführungen zu wehren, haben sie sich aber entschieden, die Öffentlichkeit zu nutzen. 'Die Latterday Saints haben eine sehr professionelle PR-Abteilung', erklärt Religionswissenschaftlerin und LDS-Spezialistin Marie-Theres Mäder. 'Sie wissen, dass sie eine schwierige Aufgabe haben, ihr Narrativ mit ihrer teilweise rassistischen Geschichte, in der heutigen Zeit nach aussen zu vertreten.' Also nutzen die LDS das Interesse, das durch das Musical geweckt wird, und schalten Werbung in den Programmheften, in den U-Bahnen oder stehen – auch in Zürich – nach der Vorstellung vor den Türen des Musicaltheaters. Anständig gekleidet, mit ihrem 'Book of Mormon' im Gepäck, verbreiten sie ihre Version der Geschichte."
Nicole Freudiger: Eine grossartige Satire auf die Religion. In: srf (Schweizer Radio und Fernsehen), 14. Dezember 2019 [aufgerufen 17. Januar 2023].
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "The Book of Mormon". Original Broadway Cast Recording, Ghostlight 2011, 7 91448 44482 7. (1xCD)
Literatur
- Das Buch Mormon, Ein Bericht, geschrieben von der Hand Mormons auf Platten. Von den Platten ins Englische übersetzt von Joseph Smith jun., Hrsg.: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Elfte deutsche Auflage, 1955.
Empfohlene Zitierweise
"The Book of Mormon [Zürich]". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 17. Januar 2023.