Bombenstimmung - Eine Ufa-Revue
Musikalische Revue
Musik und Songtexte von div.
Buch von Jürg Burth und Volker Kühn
Inszenierung
Europäische Erstaufführung: 19. September 1992
Theater des Westens, Berlin, Bundesrepublik Deutschland
- Musikalische Leitung: Adam Benzwi / Steven Smith
- Regie und Choreographie: Jürg Burth
- Bühnenbild: Mathias Fischer-Dieskau
- Kostüme: Uta Loher und Daniela Thomas
- Licht: Nick Schlieper
Besetzung:
- Emigrant: Helmut Baumann
- Studio-Angestellte: Monica Solem
- Studio-Meister / Ufa-Star / Filmregisseur: Cusch Jung
- Ufa-Star / Kampfflieger / Rundfunksprecher: Hartwig Rudolz
- Ufa-Stars: Angelika Milster / Carry Sass / Michaelle Becker / Janet Calvert / Pascale Camele / Elke Rieckhoff / Sylvia Wintergrün
- Ufa-Sternchen: Dawn Fraser / Angela Kersten / Stephenie Lawton / Denise Norton / Barbara Quiehl / Manuela Roch / Bianca Steinberger
- Studio-Arbeiter / Filmdarsteller: Hubertus Borck / Friedrich Bührer / John Carver / Mario Dellon / Andreas Goebel / Hans Johansson / Peter Kapusta / Joel Kirby / Thorsten Kreissig / Troy Rintala / Bernd Rüfenacht / Michael Schüler / Thorsten Stoll
- Pianisten: Adam Benzwi / Steven Smith
- Gitarrist: Knut Becker
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Premierenchronik
USA | UA | 30. April 1992 | Kennedy Center, Washington |
D | EEA | 19. September 1992 | Theater des Westens, Berlin |
Anmerkung: "Bombenstimmung - Die Ufa-Revue" war ein Beitrag zum vierwöchigen Festival "Tribute to Germany" im Washingtoner Kennedy Center.
Inhaltsangabe
"Diese zugleich glanzvolle und abgründige Geschichte der UFA in den 30er und 40er Jahren ist der Stoff für die Revue 'Bombenstimmung' - der Titel drückt es doppeldeutig aus. Die Zuschauer nehmen an einer Führung durch das UFA-Filmstudio teil. In neun Bildern passiert eine Epoche Revue, in der - je härter die Zeiten, desto unterhaltsamer die Show - Illusionen am laufenden Band produziert wurden. Die Schlager dieser Revuefilme, inzwischen längst zu Evergreens geworden, bilden den Hintergrund dieser 'Zeitgeschichte als Show'. Zwischen den einzelnen im Filmstudio spielenden Bildern sind, außerhalb des Studios spielend, kleine Szenen eingebaut, die das Leben der Emigranten illustrieren."
[ohne Autorennennung]: 'Bombenstimmung' im Theater des Westens. In: Berlin-Programm, Nr. 9, September 1992.
Kritiken
"Schlager aus Hitler-Deutschland: eine Ufa-Revue am Theater des Westens 'Bombenstimmung', das Spiel ,mit dem Tabu. Wer mit den Nazis scherzt, muß sie gleichzeitig denunzieren, um nicht ihr Komplize zu sein. Das heißt auf deutsch: kratz mir den Pelz und rühr mich nicht an.
Die Lösung ist denkbar einfach. Ein Alibi-Jude wird als Feigenblatt vorgeschützt, damit sich die Show keine Blöße gibt. Er ist ihr Schatten-Conférencier: der Emigrant, gespielt von Helmut Baumann, verantwortlich für das Gewissens- und Gedächtnispensum, die Trauerarbeit. Der Rest ist für die Unterhaltung da, die Sängerinnen und Sänger samt dem Tänzerensemble, die Hakenkreuz-Deutschen mit den Songs und Garderoben von damals, die Damen meistens im Abendkleid, die Herren gern uniformiert.
Das Buch von Jürg Burth und Volker Kühn ist ein schmächtiger Christbaum, um ihm die Lichter aufzusetzen, die Hits, die Schlager, die Evergreens: die Parade der nationalsozialistischen Ohrwürmer, hier in der Aufbereitung von Adam Benzwi und Steven Smith. [...] Das Programm spekuliert mit der Mitläuferschaft im Parkett, die selbstverständlich kein alter oder neuer Faschismus ist, gar eine 'Ausländer raus'-Schweinerei, sondern bei den Tönen, die hier angeschlagen werden, den Schnulzen und Märschen, nur ein tragisches Ziehen spürt, einen Schmerz in der Brust, als ginge es uns zu Herzen.
Die Trauer besteht, so gesehen, allenfalls in der mittelmäßigen Präsentation: daß die Stimmen und die Stimmung besser sein könnten. Denn ein echter Paukenschlag ist die Revue nicht."
Sibylle Wirsing: Lilie Marleen, nur halb so scheen. "Bombenstimmung", eine Ufa-Revue im Theater des Westens. In: Tagesspiegel, 21. September 1992.
"Das ist, als der Tanz auf dem Vulkan mit der Eruption von Bomben und Granaten geendet hat: eine fatale Bombenstimmung der tödlichen Art. Solche Erinnerungen an das Ende mit Schrecken tut bitter not (wie uns Hoyerswerda und Rostock mit fürchterlicher Deutlichkeit vor Augen führen). Denn davor geschieht etwas Merkwürdiges: Der alte Ufa-Zauber glüht noch immer, die alten Tricks funktionieren noch.
Mehrfach muß der Szenenapplaus doch recht nachdenklich stimmen. Wurde vielleicht gerade dem perfekt nachgestellten Kraft-durch-Freude-Kitsch der Olympia-Szenen applaudiert? Hat nicht das orgiastische 'Flamme empor' einen anhaltend schlimmen Sog? Laden nicht Gehirnverklebungslieder wie 'Davon geht die Welt nicht unter' jederzeit zum vergessenden Mitschunkeln ein? Da bleibt bei aller Anerkennung des guten aufklärerischen und anklägerischen Willens aller Beteiligten ein Quantum Unbehagen zurück. Andererseits: Wie klatscht man mit Distanz und ironischem Durchblick?
Unmißverständlich ist der Beifall für jene Spitzenleistungen, in denen der braune Schleim und der rosa Kitsch in karierter Komik und karikierender Berechnung vorgetragen werden. Das gilt zweifellos für die Mehrheit der Szenen. [...] 'Bombenstimmung' endet, wie der Name schon sagt. Fast ein Bombenerfolg im Theater des Westens."
Dieter Strunz: Unter braunen Flecken glänzt noch die alte Ufa. Das Theater des Westens erlebte mit der musikalischen Revue "Bombenstimmung" fast einen Bombenerfolg. In: Berliner Morgenpost, 21. September 1992.
"Ihre umjubelte Uraufführung erlebte die 'Ufa-Revue' von Jürg Burth und Volker Kühn mit dem doppelsinnigen Titel 'Bombenstimmung' am 30. April 1992 bei einem Berliner Gastspiel zum deutschen Kulturfestival im Kennedy Center in Washington. Jetzt fand im Berliner Theater des Westens die mit riesigem Beifall aufgenommene europäische Erstaufführung der 'Bombenstimmung' statt.
[...] Diese 'Bombenstimmung' verstehen ihre Autoren als ein Stück Vergangenheitsbewältigung mit den Mitteln einer brillant aufbereiteten Abendunterhaltung. Und da beginnt das Dilemma. Wer Filmszenen und Schlager aus den dreißiger und vierziger Jahren, Beispiele für den von der Propaganda benutzten NS-Amüsierbetrieb, als Spielmaterial für eine Bühnen-Show von heute verwendet, begibt sich auf eine heikle Gratwanderung zwischen Vergnügen und Schrecken. Je besser die Darstellung, um so gefährlicher könnte die Wirkung sein. Beklatschen die Zuschauer die artistischen Fähigkeiten des Ensembles oder das Repertoire von vorgestern?
Mit Entsetzen Scherz zu treiben, das ist vielleicht am überzeugendsten auf deutschen Bühnen während der letzten Jahrzehnte Peter Zadeks Inszenierung der europäischen Erstaufführung von Joshua Sobols 'Ghetto' 1984 im Theater der Freien Volksbühne gelungen. Daran gemessen erscheinen die die 39 Nummern der 'Bombenstimmung' als ein makabrer Spaß ohne Bedrohlichkeit."
Ingevelde Geleng: Gratwanderung zwischen Schrecken und Vergnügen. In: Welt am Sonntag, 27. September 1992.
Empfohlene Zitierweise
"Bombenstimmung - Eine Ufa-Revue". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 16. Mai 2025.