Avenue Q
Musical
Musik und Songtexte von Robert Lopez und Jeff Marx
Buch von Jeff Whitty
Deutsche Übersetzung von Dominik Flaschka (Dialoge) und Roman Riklin (Songtexte)
Inszenierung
Deutschsprachige Erstaufführung: 26. Februar 2011
Theater St. Gallen, Schweiz
- Musikalische Leitung: Robert Paul
- Regie: Dominik Flaschka
- Musikalische Einstudierung: Roman Riklin
- Choreografie: Jonathan Huor
- Puppentrainer: Rick Lyon
- Bühne: Kathrin Kündig
- Lichtdesign: Andreas Enzler
- Sounddesign: Stephan Linde / Frank Sattler
Besetzung:
- Princeton / Rod: Manuel Steinsdörfer
- Kate Monster / Lucy: Stefanie Köhm
- Brian: Jonathan Agar
- Christmas Eve: Lanie Sumalinog
- Nicky / Trekkie Monster / Bullshit Bär: Florian Claus
- Frau Semmelmöse / Bullshit Bär: Cornelia Löhr
- Piero Esteriore: Martin Schäffner
Premierenchronik
USA | UA | 19. März 2003 | Vineyard Theatre, New York |
GB | EA | 28. Juni 2006 | Noel Coward Theatre, London |
CH | Dspr. EA | 26. Februar 2011 | Theater St. Gallen, St. Gallen |
D | EA | 19. April 2012 | Nationaltheater Mannheim |
A | EA | 23. Januar 2022 | Stadttheater, Mödling |
Inhaltsangabe
Das Musical handelt von einer Gruppe von Personen, die in der fiktiven "Avenue Q" in einem der äußeren Bezirke New York Citys wohnen (die meisten Personen werden von Handpuppen dargestellt). Sie sind sehr verschieden und ihre Auftritte formen sich zu einer nur lose geknüpften Handlung. So gibt es den arbeitslosen Komiker Brian mit seiner Verlobten Christmas Eve, eine japanische Immigrantin und patientenlose Sozialtherapeutin, sowie die engagierte Kindergärtnerin Kate Monster, die einen Kindergarten nur für Monster eröffnen möchte. Oder Rod, der seine Homosexualität leugnet, und der unordentliche Nicky, die gemeinsam ein kleines Apartment bewohnen und sich ständig über dies und jenes zanken. Dann noch das zottelige Trekkie Monster, den Hausverwalter und ehemaligen Kinderstar Gary Coleman und schließlich Princeton, der gerade das College abgeschlossen hat und nach einer Wohnung sucht, ohne zu wissen, was das Leben ihm nun eigentlich bringen soll.
Zum Schluss erscheint Jesus (in der Gedankenwelt der Figuren) und verhilft Princeton zur Einsicht in den Sinn des Lebens, die praktische Nächstenliebe: helfe anderen. Somit endet das Geschichte in einer Art Happyend, im Optimismus, das Leben wird gut.
(Wolfgang Jansen)
Kritiken
"´Ab sechzehn Jahren - komlett nackte Puppen auf der Bühne!´ Mit diesem Satz auf einem mannshohen Plakat werden die Zuschauer im Foyer des Theaters St. Gallen begrüsst. Muss man diese Warnung ernst nehmen? Jüngere Kinder sind mit dem Inhalt des Musicals sicherlich überfordert. Jedoch ist der große Pluspunkt von ´Avenue Q´, dass heikle Themen wie Arbeitslosigkeit, Homosexualität, Pornographie und Perspektivlosigkeit durch die Puppen auf eine feine liebenswerte und kindliche Art angesprochen werden. Wenn Kate Monster und Princeton das erste Mal intim werden, sind sie zwar nackt, jedoch mutet die Nacktheit eher ´plüschig´ als anrüchig an. [...]
Die Regie von Dominik Flaschka hält sich sehr an das amerikanische Original, was keineswegs negativ zu bewerten ist. Denn ´Avenue Q´ funktioniert: Die Einfachheit der Bühne ist zugleich ihre Stärke. Damit das Schweizer Publikum sich jedoch auf den ersten Blick mit der Geschichte identifizieren kann, hat man einige gelungene Schweizer Adaptionen eingebaut. Gary Coleman ist in St. Gallen Piero Esteriore (ein Teilnehmer einer Schweizer Casting-Sendung, der von ganz oben tief nach unten gefallen ist und mehr durch Skandale als Erfolg von sich reden macht). Bei dieser Figur fehlt ein wenig der Soul, den der in der amerikanischen Originalversion von einer Frau gespielte Gary Coleman reinbrachte. Vom Rollenprofil ist es dennoch die ideale Wahl für die Schweiz, denn Piero Esteriore besitzt dort einen großen Bekanntheitsgrad und wird von Martin Schäffner mit viel Elan gespielt. [...]
´Avenue Q´ bietet wunderbare Unterhaltung, die frech, provozierend, jedoch nie platt ist. In diesem sehr kindlich anmutenden Stück stecken ganz feine Nuancen, Seitenhiebe und Haltungsweisen, über die man auch noch nach dem Theaterbesuch sinniert. Die Anfangs erwähnte Warnung ist sicherlich passend zum Stück mit einem Augenzwinkern zu verstehen."
Simone Jaccoud: Avenue Q, Vor der Haustür wartet das Leben. In: Onlineportal "musicalzentrale.de", ohne Datum.
"Die kreativen Köpfe des Projekts sind die beiden Schweizer Theatermacher Roman Riklin und Dominik Flaschka, die mit dem Schweizer Hit-Compilation-Stück ´Ewigi Liebi´ einen der größten Schweizer Musicalerfolge überhaupt landen konnten. Mit ´Avenue Q´ nahmen sie sich eines Stückes an, das sich zwar viele Musicalliebhaber schon längst auf einer deutschsprachigen Bühne wünschten, es zugleich jedoch für schlichtweg unübersetzbar hielten. Dies liegt nicht nur an dem angloamerikanischen Sujet, sondern vor allem an dem einzigartigen Wortwitzspektakel, das Robert Lopez und Jeff Marx (Musik und Liedtexte) sowie Jeff Whitty (Musik und Liedtexte) in dem Stück entfachen. Deren Originalfassung kann getrost als kleiner Geniestreich bezeichnet werden, verbindet sie doch mit wunderbarer Leichtigkeit derben und politisch inkorrekten Late-Night-Humor mit klassischer Musical-Comedy, eingebettet in eine Partitur mit vielen unwiderstehlich eingängigen Melodien. [...]
Die Inszenierung von Dominik Flaschka basiert auf dem Originalkonzept von Robert Lopez und Jeff Marx und weicht hiervon kaum ein Jota ab. So gehen die Figuren meistens sogar an der gleichen Bühnenstelle auf oder ab und auch Gags wie Lucys sehr speziell ausschlagende Herzfrequenzkurve finden sich hier wieder. Flaschka hat gut daran getan, das Rad nicht neu erfinden zu wollen, ist doch das In-Szene-Setzen von angloamerikanischer Comedy mit vielen Sitcom-Elementen ohnehin eine schwierige Aufgabe, an der schon viele Kontinentaleuropäer gescheitert sind. Er hat das Stück jedoch sehr gut in den Griff bekommen, das Timing sitz und der Abend läuft rund. An der einen oder anderen Stelle weist die Show vielleicht nicht das flotte Tempo des Originals auf, aber das sind Petitessen. So kann man sich nun auch in einer deutschsprachigen Aufführung von ´Avenue Q´ an singenden Umzugskartons oder der hinreißenden ´Träume werden wahr´ (´Fantasies come true´)-Szene mit wegfliegenden Betten erfreuen, hier sogar mit einem verträumten kitschig-blauen Sternenhimmel. Die berühmte Puppen-Sexszene, in der sich Kate und Princeton hemmungslos lieben, während Brian und Christmas Eve zu zweit und Trekkie natürlich alleine ihren sexuellen Neigungen nachgehen, gerät auch in St. Gallen zu einem furios überdrehten Höhepunkt."
Markus Zeller: Avenue Q, Großartiger Puppen-Spaß. In: musicals, Das Musicalmagazin, Heft 148, April/Mai 2011, Seite 4-7.
"Als deutschsprachige Erstaufführung hat das Theater St. Gallen das Musical ´Avenue Q´ von Robert Lopez, Jeff Marx und Jeff Whitty angekündigt - in einer von Dominik Flaschka und Roman Riklin bearbeiteten Fassung. Doch seltsam: Das Bühnenbild gleicht aufs Haar dem einer englischen Produktion, die nach einer Aufführungsserie in London dieses Jahr auf Tournee durch das Inselreich geschickt wird. Die Fenster der leicht vergammelten Häuser werden auch dort wechselweise von Spielern und Puppen rasant geöffnet und wieder zugeschlagen, der im groß projizierten ´Q´ sich öffnende Lageplan der Straße wird in St. Gallen ebenfalls eingeblednet. Von all dem steht im Programmheft ebenso wenig wie in den großmundigen Vorankündigungen; man schmückt sich mit fremden Federn, ohne das Publikum darüber zu informieren.
Die Autoren von ´Avenue Q´ ließen sich vorab von der Langzeit-Puppenspielserie ´Sesamstraße´ inspirieren, doch nicht mehr Kinder sind Zielpublikum, sondern Erwachsene. [...]
Den Puppen lässt die Inszenierung von Dominik Flaschka reichlich Freiheiten. Ihre Sprache ist derb, oft vulgär, ihr Benehmen oft ungeniert bis zur Obszönität - doch wer wollte diesen großmäuligen Helden deswegen gram sein? Und wer wollte ihnen verdenken, dass sie bisweilen auch satirisch gemeinte Seitenhiebe austeilen, obwohl ihnen dafür jedes Talent abgeht? Doch dazu versteigen sie sich nur selten. Im Element sind sie beim Singen und Tanzen, und da werden sie von der Band unter Robert Pauls Leitung auch bemerkenswert differenziert und in durchaus ohrenschonender Lautstärke unterstützt.
Dennoch: Allen ansprechenden Details zum Trotz wirkt das Ganze altbacken, ja verstaubt, oft abgeschmackt und nicht selten geschmacklos, zuweilen gar reichlich langweilig. Der Rezensent jedenfalls hat es vorgezogen, nach der Pause heimzugehen und sich den zweiten Akt nicht mehr anzutun. Obgleich das Publikum nach jedem Song vergnügt johlte und klatschte und vermuten ließ, dass es das Missfallen des Rezensenten nicht teilte."
(ohne Namen): Gruß aus der Sesamstraße, Auch unter Ladenhütern finden sich manchmal Entdeckungen - Mit dem Musical "Avenue Q" ist das Theater St. Gallen jedoch nicht fündig gworden." In: Südkurier, 1. März 2011.
Medien / Publikationen
Audio-Aufnahmen
- "Avenue Q". Original Broadway Cast Recording, Studio-Einspielung, 10. August 2003, RCA 82876-55923-2RE1. (1xCD)
- "Avenue Q", Deutsche Originalaufnahme, Studio-Einspielung, Co-Produktion des Theaters St. Gallen/Schweiz und dem Nationaltheater Mannheim/Deutschland, 2013, May Records. (1xCD)
Literatur
- Wolfgang Jansen: Musicals in St. Gallen: Eine starke Marke. In: Rea Brändle (Red.): 200 Jahre Theater in St. Gallen. Hrsg.: Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur und Genossenschaft Konzert und Theater St. Gallen, Schweizer Theaterjahrbuch Band 66, Basel: Edition Theaterkultur 2005, Seite 97-116.
Kommentar
Die deutschsprachige Erstaufführung war eine Koproduktion zwischen dem Theater St. Gallen, BB Promotion (Mannheim) und dem Freddy Burger Management (Basel).
Empfohlene Zitierweise
"Avenue Q" [St. Gallen]. In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu
Letzte inhaltliche Änderung: 17. Juli 2022.